Ampel steht auf grün: Die neue Regierung muss Cannabis endlich freigeben

14.10.2021 11:42

Sollte die Ampel-Koalition zustande kommen, stehen die Chancen sehr gut für eine Freigabe von Cannabis in Deutschland. Ein längst überfälliger Schritt.

"Weil Cannabis eine illegale Droge ist. Punkt." Das sagte Marlene Mortler, damals Drogenbeauftragte der Bundesregierung, als sie Youtuber Thilo Jung 2017 fragte, warum Cannabis verboten sei, Alkohol aber erlaubt, bei 0 zu 100.000 Toten im Jahr. Nun mag man sich ohnehin fragen, warum ausgerechnet die CSU damals die Drogenbeauftragte stellen durfte. Mortlers Antwort aber, die steht bezeichnend für den Umgang diverser Bundesregierungen mit der Frage nach der Cannabis-Legalisierung. Sie steht für Jahrzehnte der Diskurs-Verweigerung. Getreu dem Motto: Ist mir völlig egal, mit welchen Zahlen und Argumenten ihr alle kommt, Cannabis ist illegal und fertig.

Das könnte sich nun ändern. Erstmals können sich Befürworter einer Freigabe des Kiffens sehr berechtigte Hoffnungen machen. Mit den Grünen und der FDP werden aller Voraussicht nach gleich zwei Parteien in der Regierung sein, die für einen legalen Verkauf von Cannabis-Produkten sind. Kommt die Ampel zustande, wäre mit der SPD auch der große Partner offen für solche Projekte.

Cannabis könnte also sehr bald in Deutschland legal zu kaufen sein. Es wäre ein längst überfälliger Schritt. Aus mehreren Gründen.

Es wird nun mal gekifft

Es ist Zeit, der Realität ins Auge zu sehen: Jeden Tag kiffen Millionen Deutsche friedlich vor sich hin. Rund 3,7 Millionen Erwachsene gaben 2018 an, in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal gekifft zu haben – die Dunkelziffer wird deutlich höher geschätzt. Es ist nicht schwer an Gras heranzukommen. Der Bedarf ist da und er wird bedient, ob man das nun gut findet oder nicht. Kiffer sind ein fester Teil unserer Gesellschaft. Sie sind dabei in der Regel keine Gefahr für andere. Die Gefahr für einen selbst ist zweifelsfrei vorhanden, doch lassen wir vergleichbare Gefahren in zahlreichen anderen Bereichen zu: Alkohol, Zigaretten, Motorradfahren oder Medikamente zum Beispiel.

Der Alkohol-Vergleich sticht natürlich heraus. Obwohl kurz- und langfristig tödlich – und das ausdrücklich im Gegensatz zu Gras – hat Alkohol eine sehr solide Stellung in unserer Gesellschaft. Beim Essengehen, in Vereinsheimen, selbst auf Arbeit wird getrunken. Auf Familienfeiern trinken Minderjährige im Beisein ihrer Eltern. Da fühlen sich viele Kiffer nachvollziehbar ungerecht behandelt, ja sogar diskriminiert.

Der Schwarzmarkt bietet keinen Schutz

Im direkten Vergleich mit Alkohol ist die Faktenlage eindeutig: Der flüssige Rausch ist bei Weitem gefährlicher, fordert jedes Jahr Hunderttausende Todesopfer allein in Deutschland. Dennoch – und darauf verweisen Kritiker völlig zu recht – ist Cannabis keine harmlose Droge. Wie so oft, macht auch hier die Dosis das Gift. Wer ab und an mal kifft, hat wenig zu befürchten, analog zum Alkohol. Wer aber mehr Zeit bekifft als nüchtern verbringt, wird früher oder später mit körperlichen oder psychischen Schäden zu kämpfen haben. Und: THC kann bei Menschen mit einer entsprechenden Veranlagung eine latent vorhandene Psychose auslösen. Ich selbst kenne zwei Kiffer aus meiner Jugend, die beide auf Gras hängen geblieben sind, wie man damals sagte. Beide erkrankten an paranoider Schizophrenie und konnten sich davon, wie bei dieser Krankheit nicht ungewöhnlich, bis heute nicht richtig erholen.

Cannabis birgt Gefahren und davor sollte man Menschen schützen, vor allem Jugendliche. Doch der Schwarzmarkt bietet keinen Schutz. Dort prüft niemand das Alter der Konsumenten, keine Behörde kontrolliert die Qualität des Produktes, stellt sicher, dass nichts anderes beigemischt wird. Und nicht zuletzt: Im Coffeeshop gibt es kein Crack, kein Heroin, kein Koks. Dort gibt es sauberes Gras und Hasch aus (staatlich) kontrolliertem Anbau. Wer es wirklich ernst meint mit Jugend- und Konsumentenschutz, der kann nicht ernsthaft gegen eine Legalisierung sein.

Die Ungerechtigkeit beim Autofahren

Kiffen ist zwar illegal, in der Praxis aber zu allermeist straffrei und damit ein Stück weit toleriert. Trotzdem kann man in Deutschland eigentlich nicht kiffen, zumindest nicht, wenn man regelmäßig Autofahren will. Zwar gibt es die Faustregel: Nach dem Kiffen 24 Stunden nicht fahren. Doch die gibt keine Sicherheit und ohne klare Regelung hängt es am Ende meist vom Gericht ab. Menschen mit THC-Werten um und bei einem Nanogramm im Blut sind, da sind sich viele Experten einig, nicht akut berauscht. Solche Werte kann man noch Tage nach dem Konsum haben. Dennoch reicht ein Nanogramm im Blut in den meisten Bundesländern aus, damit man seinen Führerschein verliert. Den bekommt man dann im schlimmsten Fall nur über eine Medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU), auch Idiotentest genannt, wieder zurück. In mehreren Gerichtsverfahren haben Experten und Gutachter gegen diese Praxis argumentiert, stets ohne Erfolg. Jemanden bei einem Nanogramm den Führerschein zu entziehen, ist nicht fair. Dazu ein Vergleich: Stellen Sie sich vor, Sie trinken Freitagabend mit Freunden sechs, sieben Bier. Das Wochenende über bleiben Sie nüchtern. Am Montag auf dem Weg zur Arbeit werden sie nun kontrolliert und verlieren ihren Führerschein wie jemand mit mehr als 1,6 Promille im Blut.

Diese Praxis ist schlicht ungerecht. Wenn der Staat Gras freigeben würde, müsste er hier tätig werden und solide Grenzwerte schaffen, die dem von Alkohol gerecht werden. In Deutschland darf man ja sogar während des Fahrens trinken. Dose Pils im Getränkehalter am Armaturenbrett, völlig okay. Freitags kiffen, Montags Autofahren aber unter Umständen nicht.

Der Blick in andere Länder macht Mut

Früher fehlten solide Daten zur Freigabe von Cannabis. Einzig ein kleines Nachbarland im Westen sammelte wirklich Erfahrungen, doch die Niederländer wurden hierzulande ohnehin schon immer etwas belächelt. Die Vergleichbarkeit fehle, lautete dann oft das Scheinargument. Nun aber machen es weite Teile der USA und zahlreiche andere Länder vor: Ob nun zur medizinischen Nutzung oder zur Freizeitgestaltung. Überall auf der Welt entspannt sich der Umgang mit Gras. Und wir sehen: Wird eben nicht Sodom und Gomorra dort. Nirgends sind nach der Freigabe die Konsumzahlen explodiert. Schließlich ist es ja nicht so, als würden Millionen auf den Startschuss des Staates warten, um dann kräftig loszukiffen. Wer kiffen will, der kifft schon, kann es dann aber in einem legalen und sicheren Rahmen.

Man würde eine Milliardenindustrie vom Schwarzmarkt holen

Last but not least: Cannabis ist ein Riesengeschäft. Schließlich ist ja auch die FDP für eine Freigabe. Das Rauschmittel hat Millionen potenzielle zahlende Kunden in Deutschland, dazu die Strukturen aus Anbau, Logistik, Einzelhandel. Und nicht zu vergessen die möglichen weiteren Produkte im Gesundheits- und Beauty-Bereich, wo jetzt schon der legale Teil der Cannabispflanze sehr gefragt ist. Es würden Jobs geschaffen und eine Milliardenindustrie aufgebaut werden, solide Steuereinnahmen inklusive. Obendrein müsste man weniger Steuergelder für sinnlose behördliche Vorgänge ausgeben. Niemandem ist geholfen, wenn Polizisten Konsumenten ihre Grasbeutel abnehmen und Berichte darüber schreiben müssen. Bei den Beschuldigten flattern so oder so einige Wochen später die Schreiben über die Einstellung des Verfahrens ins Haus. 

Fazit: Gebt das Hanf frei!

Alle diese Gründe sind nicht neu. Man weiß das alles mehr oder minder seit Jahrzehnten. Nur hat sich jahrzehntelang nichts bewegt. Deswegen ist die Zeit nun endlich reif. Weil man so lange schon nicht schlüssig dagegen argumentieren kann, wie schon Marlene Mortler eindrucksvoll unter Beweis stellte. Weil die Befürworter nun mal die besseren Argumente haben. Und die besseren Argument sich immer durchsetzen sollten – auch wenn es manchmal dauert.

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