Armin Laschet: das Paradebeispiel eines alten weißen Mannes

28.09.2021 10:52

Ich. Will. Kanzler. Werden. Armin Laschet wählte unmittelbar nach der historischen CDU-Niederlage kein einziges Wort der Selbstkritik. Er offenbarte damit einmal mehr eine selbstgefällige, toxische Männlichkeit. Er sollte sich ein Beispiel an Annalena Baerbock nehmen. Alleine schon, weil sich mit Einsicht viel besser Gespräche führen lassen.

Von Linda Peikert

Annalena Baerbock tritt mit Robert Habeck auf die Bühne. Vor einigen Monaten war da noch sehr viel Hoffnung bei den Grünen: Nach Angela Merkel wieder eine Kanzlerin? Dieses Mal eine junge Frau, die sich für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit einsetzt? Baerbocks Umfragewerte schossen anfangs in die Höhe. Doch aus der Traum: Die Grünen werden nicht die Kanzlerin stellen. Und Baerbock? Sie übernimmt die Verantwortung. Sie lobt ihre Parteikolleg:innen und gesteht umgehend eigene Fehler. "Wir wollten mehr. Das haben wir nicht erreicht. Auch aufgrund eigener Fehler zu Beginn des Wahlkampfs", sagt sie und fährt fort "eigener Fehler von mir".  

Ortswechsel Konrad-Adenauer-Haus am Sonntagabend: Armin Laschet steht umringt von Parteikolleg:innen am Mikrophon. Auch Angela Merkel steht ihm zur Seite. Das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der Union lässt sich nicht ausblenden. Der "Amtsbouns" habe gefehlt, sagt Laschet. Und trotz der offensichtlichen Niederlage spricht Laschet von einem "klaren Auftrag". Er werde "alles daransetzen, eine Bundesregierung unter Führung der Union zu bilden, denn Deutschland braucht jetzt eine Zukunftskoalition". Kein Wort der Selbstkritik, kein Wort dazu, dass es sein Auftreten der vergangenen Wochen war, dass die Union in diese Lage gebracht hat.

Armin Laschet: Bloß kein Scheitern zugeben

Die gegensätzliche Art des Umgangs mit eigener Verantwortung war offensichtlich. Die junge Frau sucht selbstreflektiert den Fehler bei sich, der alte Mann lieber bei anderen. Auf der einen Seite ehrliche Kommunikation, die Transparenz schafft und Gespräche erleichtert, auf der anderen Seite toxische Männlichkeit und eine Selbstüberschätzung, die Koalitionsgespräche sicher nicht erleichtern dürften. 

Auch wenn sich Armin Laschet am Montag nach der Präsidiumssitzung etwas kleinlauter gab und zumindest eine Art Selbstreflexion durchblicken ließ ("Natürlich weiß ich auch, dass ich meinen persönlichen Anteil an diesem Wahlergebnis habe"): Der Grundimpuls von Laschet bleibt der gleiche, kein Scheitern zugeben, unter keinen Umständen Schwäche zeigen, Machterhalt.

Armin Laschet gibt schon seit Monaten das Paradebeispiel eines alten, weißen Mannes ab. Sein Kommunikationsverhalten: Er ist einer dieser Babyboomer, der mit Gepolter durch sämtliche Fettnäpfchen rast, anschließend die Schuld von sich weist oder Kinderreporter:innen anpampt. Schickt sich als Spitzenkandidat ein übersteigertes Ego und mangelnde Fähigkeit zur Selbstreflektion? Oder erinnert das höchstens an peinliche Auftritte anderer alter, weißer Männer, wie dem von Gerhard Schröder bei der Wahl 2005? "Es ist eindeutig, dass niemand außer mir in der Lage ist, eine stabile Regierung zu stellen", hatte der damals gewettert. Das kam schon vor 16 Jahren nicht sonderlich gut an – und hat außerdem nicht der Wahrheit entsprochen.

Mut, eigene Fehler zu benennen, wäre angebracht

Frauen steht in solchen Situationen wohl einfach nicht ein derart großes Päckchen unangebrachter Stolz im Weg. Das zeigen auch andere Beispiele aus der Vergangenheit, wie Frauen unabhängig von der Machtkonstellation in Krisenmomenten kommunikativ Handeln: Als die SPD bei den Landtagswahlen 2017 in Nordrhein-Westfahlen mit 1,8 % Rückstand auf Platz zwei hinter der CDU landete, trat Hannelore Kraft noch am Wahlabend zurück, statt darin einen "Regierungsauftrag" zu sehen (sie hätte ja theoretisch auch mit der FDP sprechen und regieren können). Ist es nicht fast schon ironisch, dass Führungspositionen bis heute meist von Männern besetzt werden, statt mit Personen, die die Sache und nicht das eigene Ego im Blick haben?

Laschet hat in den letzten Monaten viele Fehler gemacht: Er kicherte bei der Flutkatastrophe, präsentierte sich an der Seite eines Querdenkers im Wahlspot und faltete selbst am Wahltag seinen Stimmzettel falsch. Zumindest jetzt, wo etwa eine Millionen Wähler:innen zum Koalitionspartner SPD abgewandert sind, wäre es an der Zeit, etwas bescheidener und selbstreflektierter zu handeln. Das Wahlergebnis und die Umfragewerte bezüglich der Beliebtheit deuten nicht auf einen Regierungsauftrag hin. Die Babyboomer haben zwar noch einen großen Einfluss auf die Wahlen, aber die nachwachsenden Generationen stehen nun auch vermehrt in den Wahlkabinen: Ein selbstgefälliger Mann, der statt Einsicht noch dicker aufträgt, kommt da nicht unbedingt gut an. Vielleicht sollte sich Laschet also ein Vorbild an Baerbock nehmen: Mut zu Eingeständnissen und einer offene Fehlerkommunikation.

 

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