Brauchen Hunde nur eine Bezugsperson?

09.12.2019 10:30

Ein Hund braucht eine Bezugsperson. Nur eine. Ein Mensch, der ihm Kommandos erteilt und eine Linie vorgibt. So kennen wir das, oder? Es gibt da aber noch eine andere Theorie: ein Hund kann mehrere Bezugspersonen haben. Stimmt das wirklich?

Als wir unseren dritten Hund vor knapp vier Jahren auf seinem letzten Weg begleiten mussten, hat mich das mehr mitgenommen, als meine Mutter. Ich war wochenlang sehr traurig und tat mich sehr schwer mit dem Verlust. Meine Mutter sagte dann: „Ist ja auch kein Wunder, der Isidor war ja auch Dein Hund und Du warst seine einzige Bezugsperson.“. Ich überlegte und musste meiner Mutter zustimmen. Isidor fühlte sich bei mir am Wohlsten, hörte am besten und war auch sonst sehr auf mich fixiert.

Ein Rudel voller Bezugspersonen

Wenn ich nun unseren Dackel Igor betrachte, dann stelle ich fest, dass ich zwar ein wichtiger Mensch für ihn bin und ein sehr wichtiger Teil seines Rudels, aber ich bin nicht „sein Mensch“. Igor hat nämlich nicht nur einen Menschen, sondern verteilt seine Liebe und Zuneigung auf drei Personen: auf mich, meinen Mann und meine Mutter. Man hat so das Gefühl, er pickt sich bei allen die besten Seiten heraus. Mit meinem Mann spielt er am liebsten und bringt fast unaufhörlich den Ball zu ihm. Mit meiner Mutter genießt er lange Spaziergänge und faulenzt gern. Ich bin für die Erziehung zuständig und musste ihm alles beibringen, was er heute kann. Da frage ich mich schon, ob ein Hund wirklich nur eine Bezugsperson hat?

Viele Hundetrainer sagen: eine Bezugsperson ist für Hunde sehr wichtig, denn sie gibt die Regeln vor. Aber sie sollten sich keinesfalls nur auf eine Person fixieren. Klingt auch logisch, denn Hunde sind Rudeltiere. Zwar hat ein Rudel einen Anführer, aber schon Wölfe hatten für ihre verschiedenen Bedürfnisse verschiedene Wölfe, die diese erfüllten.

Das Rudel zieht an einem Strang

Allerdings brauchen Hunde Menschen, die ihnen sagen, was die Regeln sind. Und über die Regeln und deren Ausführung müssen sich alle Menschen einig sein. Wenn ein Hund bei Person A nicht unter dem Tisch sitzen darf, während gegessen wird, dann darf er das bei allen Personen auch nicht. Hat der Hund keine klaren und immer gleichen Regeln führt das zu Unsicherheit und dazu, dass der Hund die Führung übernimmt.

Wenn man etwas weiter überlegt, ist es denkbar schlecht, wenn ein Hund nur eine Bezugsperson hat. Ein simpler Einkauf, bei dem der Hund nun mal nicht dabei sein kann, wird zum Problem. Mal ganz abgesehen davon, wenn diese eine Bezugsperson längere Zeit nicht da ist. Neben der Tatsache, dass der Hund seinen Unmut lautstark kundtun wird, ist es für ihn auch ein seelischer Schmerz, der leicht auch in Panik überschlagen kann. Dadurch können sich Ticks wie zwanghaftes Pfotenlecken oder -beißen entwickeln.

Vertrauen kann man trainieren

Innerhalb einer Familie wird der Hund zumeist die Person als seine Bezugsperson ansehen, die am meisten Zeit mit ihm verbringt und ihm ebenso viel Liebe schenkt. Aber auch andere „Rudelmitglieder“ können und sollen für den Hund so vertraut und wichtig sein, dass sie „seinen Menschen“ kurzweilig ersetzen können.

Es kann natürlich sein, dass es schon zu spät ist und der Hund schon eine gewisse Abhängigkeit von einer Person hat. Dann sollten alle Familienmitglieder an einem Strang ziehen und gemeinsam dafür sorgen, dass der Hund Vertrauen zu weiteren Personen aufbaut. Das funktioniert sehr gut mit der sogenannten Handfütterung. Dabei bekommt der Hund sein reguläres Futter (nicht die Leckerchen oder Belohnung zwischendurch) aus der Hand der anderen Familienmitglieder. Seine Bezugsperson ist dabei absolut zurückhaltend. Nach und nach bewegt sie sich immer weiter vom Hund weg. Nach einigen Tagen verlässt sie das Zimmer gänzlich und kehrt erst wieder zurück, wenn die Fütterung beendet ist.

Zudem sind gemeinsame Aktivitäten mit allen Familienmitgliedern wichtig. Lange Spaziergänge und ausgiebige Spiele fördern das Wir-Gefühl. Der Hund lernt zudem, dass er sich in wichtigen oder für ihn ungewohnten Situationen auf sein Rudel verlassen kann. Auch lange Schmuseeinheiten sind wichtig und tragen zu einer engen Bindung bei.

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