Chinesischer Wildtier-Handel boomt – trotz Corona

09.09.2020 15:43

Als die chinesische Regierung Anfang des Jahres Wildtiermärkte schloss, atmeten Tierschützer auf. Doch der Handel mit bedrohten Wildtieren wird weiter befeuert - durch die Traditionelle Chinesische Medizin

Schon bald nach Ausbruch der Corona-Pandemie stand ein Wildtiermarkt in der chinesischen Stadt Wuhan als Ursprung des neuartigen Virus unter Verdacht. Die chinesische Regierung reagierte – und verbot Wildtiermärkte, auf denen Wildtiere unter katastrophalen hygienischen Bedingungen und unter Missachtung jeglicher Tierschutzstandards angeboten und getötet werden. Tierschützer atmeten auf. Und hofften, das Verbot werde den internationalen Artenschutz voranbringen. Diese Hoffnung ist offenbar unbegründet. Das zeigt eine aktuelle Bestandsaufnahme der Tier- und Artenschutzorganisation Pro Wildlife.

Die Organisation verweist darauf, dass die chinesische Regierung zwar im Februar dieses Jahres ein (vorläufiges) Handelsverbot für zahlreiche Wildtierarten erlassen hat. Jedoch gelte das Verbot nur für Tierarten, die für den Verzehr bestimmt sind – nicht für Tierarten, die in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) Verwendung finden. Zudem seien bestimmte Wildtierarten auch zu "speziellen Nutztieren" umdeklariert worden, um das Wildtierverbot zu umgehen.

Exportschlager Traditionelle Chinesische Medizin

Der Handel mit Wildtieren für die TCM soll offenbar nicht durch die Corona-Krise gefährdet werden. Im Gegenteil: Wie die Analyse von Pro Wildlife zeigt, ist es sogar das erklärte Ziel der chinesischen Regierung, die TCM zum Exportschlager zu machen.

So ist die TCM laut Pro Wildlife fester Bestandteil der "Neuen Seidenstraße", jener im Jahr 2013 bekanntgegebenen Strategie, mit der die chinesische Regierung den Handel mit über 60 Staaten in Asien, Europa und Afrika forcieren will. Auch die Einrichtung von 30 neuen TCM-Zentren weltweit gehört dazu.

Wildtier-Verbote helfen Wildtieren kaum

Tierschützer schlugen schon im März dieses Jahres Alarm, als die chinesische nationale Gesundheitskommission bei schweren Covid-19-Verläufen eine Rezeptur empfahl, die Bärengalle enthält. Denn dieser offizielle Rat könnte zum einen die Wilderei anheizen. Zum anderen unterminiert die Empfehlung die Bemühungen von Tierschützern, die Haltung von bis zu 12.000 in China und Vietnam unter grausamen Bedingungen gehaltenen "Gallebären" zu beenden.

Darüberhinaus kündigte die chinesische Nationale Naturwissenschaftliche Stiftung im April dieses Jahres an, Forschungsgelder für die Erforschung von Bestandteilen des Chinesischen Weißen Delfins bereitzustellen. In chinesischen Arzneibüchern finden sich schon heute mindestens 20 Substanzen aus Öl, Pankreas und Leber von Delfinen und Robben. Und Sousa chinensis wird von der IUCN als "gefährdet" eingestuft.

Ein weiteres Beispiel: Schwimmblasen und Schuppen der Fischart Bahaba taipingensis werden in der TCM zur Behandlung von Nierenerkrankungen, Gebärmutterblutungen und eitrigen Wunden eingesetzt. Doch die starke Nachfrage hat den großen Fisch an den Rand der Ausrottung gebracht. Als Ersatz dient der Totoaba (Totoaba macdonaldi), der im Golf von Mexiko gefangen wird – allerdings illegal, denn die Art ist heute ebenfalls akut vom Aussterben bedroht. In den Netzen verfangen sich zudem Kalifornische Schweinswale, die ihrerseits kurz vor der Ausrottung stehen.

Aufklärung auch in Europa notwendig

Zwar machen die Ingredienzien von Wildtieren laut Pro Wildlife nur einen Bruchteil der in der TCM verwendeten Substanzen aus. Doch die wachsende chinesische Mittelschicht und der Boom der TCM auch im westlichen Ausland erhöhen den Druck auf die Wildtierbestände. Dass Aufklärung über den Ursprung und die – meist nicht nachweisbare – medizinische Wirkung der Substanzen auch in Europa notwendig ist, zeigen von Pro Wildlife gesammelte Beispiele.

So sind auch in Deutschland Präparate mit einem Mausklick erhältlich, die "Ge Jie" enthalten: Bestandteile von Geckos, die angeblich bei Asthma, Husten, Diabetes, Impotenz und vorzeitigem Samenerguss helfen sollen. Die immense Nachfrage hat in Asien dazu geführt, dass der Bestand der ehemals weit verbreiteten Echse stark geschrumpft ist.

Auf der Arzneimittelliste einer chinesisch-deutschen TCM-Akademie finden sich laut Pro Wildlife zahlreiche weitere problematische Bestandteile. Darunter Schuppentiere, Bärengalle, Seepferdchen, Schlangenhaut, Schildkrötenpanzer, Nashorn und Tigerknochen.

Quelle