Chronische Schmerzen: Ursachen, Therapien und Vorbeugung

04.06.2019 08:45

Chronische Schmerzen sind weitverbreitet. Schätzungen zufolge leiden in Deutschland mehrere Millionen Menschen darunter, Mediziner sprechen bereits von einer „Volkskrankheit“. Doch es gibt Therapien mit guter Erfolgsaussicht.

Chronische Schmerzen sind oft mit einem langen Leidensweg verbunden. Denn bis sie erstmals als solche erkannt werden, vergehen häufig Monate oder gar Jahre, verbunden mit unzähligen Arztbesuchen. Der Grund: Bei chronischen Schmerzen können Ärzte oft keine klare Ursache für die Beschwerden ausmachen. Und tatsächlich gibt es in vielen Fällen auch gar keine Ursache mehr, die behandelt werden könnte. Denn der Schmerz hat sich buchstäblich selbstständig gemacht.

Wie entstehen Schmerzen?

Schmerzen erfüllen grundsätzlich einen sinnvollen Zweck: Sie signalisieren uns, dass mit unserem Körper etwas nicht stimmt. Sie warnen und bewahren uns so vor weiteren Schäden.

Schmerzen entstehen, wenn die Schmerzrezeptoren (Fachbegriff: Nozirezeptoren oder Nozizeptoren) an unseren Nerven gereizt werden. Das geschieht etwa bei Entzündungen, Verletzungen und wenn wir mit starker Hitze oder Kälte in Berührung kommen. Die Rezeptoren senden dann über die Nervenbahnen Signale an das Rückenmark und GehirnVorsicht, etwas stimmt nicht! Oder: Vorsicht, es droht Gefahr! Wir verspüren nun Schmerzen.

Ein Beispiel: Haben wir uns bei einer ungeschickten Bewegung den Fuß verletzt, warnen uns die Schmerzen davor, ihn jetzt zu stark zu belasten und dadurch die Verletzung zu verschlimmern. Verheilt die Verletzung, lassen auch unsere Schmerzen nach, weil sie ihre Warnfunktion erfüllt haben. Diese Schmerzen sind zeitlich begrenzt.

Chronische Schmerzen: Wenn der Schmerz sich verselbstständigt

Halten die Beschwerden länger als drei Monate an, sprechen Mediziner nicht mehr von akuten, sondern von chronischen Schmerzen. Diese treten häufig bei Patienten mit chronischen Erkrankungen wie Rheuma und Arthritis auf. Bereiche in ihrem Körper sind dauerentzündet und entsenden immer wieder Schmerzsignale.

> Rheuma, Arthrose, Arthritis: Wo liegt der Unterschied?

Oft nehmen auch Kopf-, Muskel-, Gelenk- und Rückenschmerzen einen chronischen Verlauf. Das ist der Fall, wenn entzündete oder verletzte Körperpartien über lange Zeit die Schmerzrezeptoren und damit die Nerven (über-)reizen. Diese reagieren zunehmend empfindlicher auf die Reize und senden ständig Warnsignale an unser zentrales Nervensystem (Rückenmark und Gehirn).

Hält dieser Zustand zu lange an, merkt sich unser zentrales Nervensystem die Schmerzreize und speichert sie in einer Art Schmerzgedächtnis ab. Ab diesem Zeitpunkt lässt es uns dann Schmerzen spüren, obwohl der eigentliche Schmerzauslöser, beispielsweise ein Bandscheibenvorfall, längst behoben ist. Es reichen schon kleine Reize, damit unser Nervensystem fälschlicherweise Alarm schlägt. Mitunter braucht es dazu überhaupt keine Stimulation mehr.

Auch psychische Faktoren spielen eine Rolle

Laut der Deutschen Schmerzgesellschaft können auch psychische Faktoren zu chronischen Schmerzen beitragen. Denn: Bei Problemen in der Familie oder im Beruf steigt unser Stresslevel. Wir werden immer angespannter, auch unser Körper verkrampft sich zusehends. Das kann auf Dauer chronische Schmerzen begünstigen. Umgekehrt kann die permanente Schmerzbelastung zu Depressionen führen.

Therapien bei chronischen Schmerzen

Der Arzt versucht zunächst herauszufinden, ob die chronischen Schmerzen einen konkreten Auslöser haben, wie etwa einen eingeklemmten Nerv. In diesem Fall wird er versuchen, diese Schmerzursache zu heilen. Bei chronischen Krankheiten wie Rheuma oder bei einer Krebs-Erkrankung, kann sich die Schmerzbehandlung jedoch sehr schwierig gestalten. Bei unbekannter Ursache muss die Behandlung direkt auf den Schmerz abzielen.

In der modernen Schmerztherapie stehen vielfältige Therapiemaßnahmen zur Verfügung, die, vom Arzt gezielt kombiniert, chronische Schmerzen lindern können. Im besten Fall können sie beispielsweise Kopf- oder Rückenschmerzen so sehr zurückdrängen, dass diese aus dem Schmerzgedächtnis gelöscht werden und nicht mehr chronisch auftreten.

Behandlung mit Medikamenten

Lassen Sie sich vor der Einnahme von Schmerzmitteln (Analgetika) von Ihrem Arzt über deren Risiken und Nebenwirkungen beraten. Das gilt auch für rezeptfrei erhältliche Wirkstoffe wie Ibuprofen oder ASS.

Folgende Schmerzmittel kommen bei chronischen Schmerzen infrage:

  • Nicht-opioide Schmerzmittel wie Acetylsalicylsäure (kurz: ASS) oder Ibuprofen enthalten entzündungshemmende Wirkstoffe. Sie bekämpfen die Schmerzherde und sind daher vor allem bei chronischen Entzündungen geeignet.
  • Opioide Schmerzmittel wie Morphin, Tilidin, Sufentanil und Tramadol können auch extreme Schmerzen lindern (v.a. bei Krebserkrankungen). Über eine sogenannte Schmerzmittelpumpe kann die Opioidmenge exakt dosiert und abgegeben werden.
  • Bestimmte Antidepressiva wie Amitriptylin können die Schmerzwahrnehmung beeinflussen. Sie blockieren Nerven, die sonst Schmerzsignale entsenden würden.
  • Betäubungsmittel wie das Lokalanästhetikum Lidocain kommen bei chronischen Entzündungen zum Einsatz und werden gespritzt. Sie betäuben das entzündete Gewebe und behindern damit die Weiterleitung von Schmerzreizen.

Auch pflanzliche Arzneimittel können bei mäßigen chronischen Schmerzen Unterstützung bieten. Viele Pflanzen enthalten entzündungshemmende Inhaltsstoffe und können so das Leiden mindern, beispielsweise:

  • Teufelskralle
  • Pfefferminze
  • Pestwurz
  • Weidenrinde

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Cannabis als Schmerzmittel?

Medizinisches Cannabis wird bereits seit Längerem in der Schmerztherapie eingesetzt. Dronabinol und Nabilon gehören zu den meistverschriebenen Cannabis-Präparaten. Die Wirkstoffe der Hanfpflanze gelten als krampflösend, entzündungshemmend und schmerzlindernd. Es bedarf allerdings noch weiterer Forschung, um die Wirkung dahinter zu entschlüsseln. Auch sind die Nebenwirkungen noch nicht ausreichend erforscht.

Bislang war eine ärztliche Verschreibung in Deutschland nur sehr eingeschränkt möglich. Ab März 2017 können schwerkranke Schmerzpatienten Cannabis legal auf Rezept bekommen.

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Physikalische Therapiemaßnahmen bei chronischen Schmerzen

Bei den verschiedenen Formen der physikalischen Therapie geht es hauptsächlich darum, Verspannungen zu lösen oder die Durchblutung zu fördern, um dem Schmerz entgegenzuwirken.

Je nach Art und Ausprägung der Schmerzen kommen folgende Maßnahmen infrage:

  • Bewegungstherapie, Gymnastik: Yoga, Tai Chi, Wassergymnastik und/oder schonende Ausdauer-Sportarten wie Schwimmen, Nordic Walking oder Radfahren
  • Progressive Muskelentspannung
  • Thermotherapie mit Wärme oder Kälte
  • Elektrotherapie, Nervenstimulation
  • Massagen, Akupressur
  • Akupunktur
  • Physiotherapie

Psychotherapeutische Maßnahmen

Psychotherapeutische Maßnahmen gehen oft mit Entspannungstechniken einher. Die Schmerzpatienten lernen dabei, sich dem Schmerz nicht ausgeliefert zu fühlen. Im besten Fall können Sie sich selbst beruhigen und ihr Schmerzempfinden kontrollieren. Wenn der Schmerz nicht mehr ständig im Vordergrund steht, erlangen Betroffene ein wichtiges Stück Lebensqualität zurück.

Diese psychotherapeutischen Maßnahmen sind möglich:

  • Biofeedback: Körperliche Prozesse wie Muskelanspannung werden in akustische oder optische Signale übersetzt. Dadurch können auch die Betroffenen selbst diese wahrnehmen und lernen, Körperprozesse und -signale aktiv zu steuern.
  • Stressbewältigungstraining
  • Autogenes Training
  • Hypnotherapie
  • Schmerzbezogene Kognition
  • Objektive Schmerzwahrnehmung

Chronische Schmerzen: So beugen Sie vor

Früher galten Schonung und Ruhe als beste Vorbeugemaßnahmen. Heute weiß die Medizin: Bewegung und sanfter Sport können akute Schmerzen und Verspannungen lindern und verhindern somit, dass sie chronisch werden.

Reduzieren Sie Stress und achten Sie mehr auf sich selbst, um Anspannungen vorzubeugen. Therapeutische Maßnahmen gegen chronische Schmerzen können Sie auch zur Vorbeugung durchführen. Dazu zählen Entspannungstechniken, Physiotherapie, Yoga oder autogenes Training. Lernen Sie, in Ihren Körper hineinzuhorchen, um die Alarmzeichen frühzeitig zu erkennen. Mit einer rechtzeitigen Vorbeugung können Sie chronische Schmerzen häufig vermeiden.

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Besonders achtsam sollten Sie nach einer Operation sein. Starke Schmerzen sind nach einem operativen Eingriff zwar nicht ungewöhnlich, aber trotzdem sollten Sie sie nicht zu lange „aushalten“. Treten sie zu lange auf, können sie sich ins Schmerzgedächtnis einbrennen und chronisch werden. Gehen Sie daher immer rechtzeitig zu Ihrem Arzt.

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