Das Potsdam-Problem ist eine Chance für Friedrich Merz

24.01.2024 09:54

Beim Geheimtreffen der Rechtsextremen in Potsdam waren auch CDU-Mitglieder dabei. Friedrich Merz will sie aus der Partei ausschließen. Nicht zum ersten Mal gibt der Parteichef den harten Fritz – das muss er auch. 

Friedrich Merz war noch nicht CDU-Vorsitzender, er nahm gerade seinen dritten Anlauf, da sagte er einen Satz, an dem er seitdem gemessen wird. "Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten", sagte Merz im Dezember 2021, "dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an."

Gesagt. Aber auch getan? Die Brandmauer-Bilanz des CDU-Chefs kann zwei Jahre später einige Best-Practice-Beispiele vorweisen. Und ein bisschen Rumgeeiere. 

Merz macht sich keine Illusionen, wie man am Sonntagabend in Caren Miosgas neuer ARD-Talkshow sehen konnte, dass CDU-Politiker auf kommunaler Ebene dann und wann längst mit der AfD zusammenarbeiten. Und er unternimmt wenig, diese Fälle zu unterbinden – im Glauben, es gehe nun einmal nicht anders, wenn Schlaglöcher gestopft und Zebrastreifen gebaut werden müssten. Es wirkte, als wolle Merz seinem Satz von 2021 ein Sternchen anhängen: Gilt nicht im Fall von Schlaglöchern, Zebrastreifen und anderen kommunalpolitischen Kleinigkeiten. 

Nur, bis wohin reicht Problemlösung, ab wann geht es um Überzeugungen? Was ist mit dem Schlagloch vor dem Flüchtlingsheim? Was ist mit dem Zebrastreifen vor dem alternativen Jugendzentrum an der Schnellstraße? Ja, in den Kommunen geht es oft um Pragmatismus. Aber wer Gemeinderäte zu ideologiefreien Zonen erklärt, macht es sich einfach. Wer immer neue Gründe findet, warum die klare Kante nicht bis in die Niederungen der Demokratie reichen kann, eiert rum. 

Merz scheut Parteiausschlussverfahren nicht

Das fällt bei Merz umso mehr auf, da er entschlossen und sortiert auftritt, wenn es um prominente Fälle geht. Da zögert der CDU-Chef nicht, wenn er die Grenze überschritten sieht. Da löst er ein, was er 2021 versprochen hat: Parteiausschlussverfahren am nächsten Tag. Das hat die vergangene Woche noch einmal gezeigt. Denn bei dem von "Correctiv" aufgedeckten Geheimtreffen von Rechtsextremen in Potsdam waren auch CDU-Mitglieder dabei. 

Das ist erst einmal ein Problem für Merz. Weil es belegt, dass zur Unionsfamilie immer noch Menschen gehören, die in sehr rechten Kreisen daheim sind. Aber es ist zugleich ein verspätetes Weihnachtsgeschenk für die CDU-Führung. Weil Merz und sein General Carsten Linnemann nun die Gelegenheit haben, diese Leute ein für alle Mal aus der Partei zu werfen. 

Gegen ein Mitglied, das in Potsdam dabei war, laufe ein Ausschlussverfahren, sagte Merz am Sonntag bei Miosga. Er wisse zwar nicht, ob noch mehr CDU-Mitglieder beteiligt gewesen sind. Sollte dem so sein, hätten diese in der CDU aber "nichts zu suchen".

Kaum im Amt griff Merz als CDU-Chef durch

Das klingt wie eine Selbstverständlichkeit. Man muss dafür nur kurz ausblenden, wie lange Ausschlussverfahren als schwierigstes Unterfangen galten, das sich eine Parteispitze aufhalsen konnte. Der Weg eines solchen Verfahrens ist lang und steinig. Es gibt hohe rechtliche Hürden, ständig neue Schlagzeilen – und oft eine Handvoll Getreue in eigenen Reihen, die lautstark ihre Loyalität zum Delinquenten bekunden. Man muss als Parteiführung also durchaus leidensfähig sein, um sich so etwas freiwillig anzutun. 

Die SPD hat drei Anläufe gebraucht, um den Scharfmacher Thilo Sarrazin ein für alle Mal loszuwerden. Und der Union gelang es nur gegen interne Widerstände, Martin Hohmann aus der Hessen-CDU auszuschließen, nachdem der eine Rede zur deutschen Erinnerungskultur gehalten hatte, für die "umstritten" eine verharmlosende Zuschreibung wäre.

Merz aber hat Anfang 2022 nicht lange gezögert, als Max Otte, CDU-Mitglied und Chef der schon sehr rechtskonservativen "Werteunion", für die noch weiter rechtsstehende AfD für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte. Für den damals neuen Parteichef keine Frage: keine Kompromisse. Ciao, Tschüss und auf Nimmerwiedersehen!   

Für die CDU wird die Wahl in Thüringen eine Bewährungsprobe

Der CDU-Chef hat an diesem Kurs festgehalten und ein Jahr später auch gegen Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, Ottes Nachfolger an der Spitze der "Werteunion", ein Parteiausschlussverfahren angestrengt. Auch von einer ersten Niederlage vor dem Kreisparteigericht ließ sich die CDU-Spitze nicht beeindrucken, legte Beschwerde ein, ging in die nächste Instanz. Da liegt das Verfahren jetzt.

Maaßen wiederum macht es Merz mit seiner Parteigründung nun leicht, nicht nur für sein eigenes Ausschlussverfahren, das als erledigt betrachtet werden darf. Mit einem Unvereinbarkeitsbeschluss zu einer Mitgliedschaft in der "Werteunion" kann die CDU auf dem nächsten Parteitag gleich ein ganzes Grüppchen am rechten Rand loswerden. 

Merz gibt den harten Fritz, auch weil er weiß, was im Herbst dieses Jahres noch auf ihn zukommt. Bei den Landtagswahlen im Osten droht vor allem in Thüringen ein Ergebnis, das die Union bei einer Regierungsbildung in die vertrackte Situation bringen könnte, dass der eine oder andere Landespolitiker wie schon 2019 nach Rechtsaußen schielen könnte. Der damaligen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wurde so ihre ganze Macht- und Hilflosigkeit vor Augen geführt. Kurz danach gab sie auf. 

Wenn Merz nun also sein Profil an der Brandmauer schärft, baut er Autorität und Glaubwürdigkeit auf, die er noch brauchen wird.  

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