Diese WM bekommt den Sieger, den sie verdient hat

20.12.2022 11:33

Die vielleicht umstrittenste WM aller Zeiten ist zu Ende, und der Sieger heißt Argentinien. So sehr man es Messi und den Seinen sportlich gönnen mag: Mit dem Ausrichter Katar und den Gauchos haben sich zwei gefunden, die einander verdienen.

Achtung, lieber Leser, dieser Text braucht einen Disclaimer vorweg. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Argentinien ist verdient Weltmeister geworden. Die Truppe um Superstar Lionel Messi hat sich in Katar von Spiel zu Spiel gesteigert, als Einheit gekämpft und am Ende zurecht den Titel als beste Fußballmannschaft der Welt geholt. Sportlich kann man es Messi als Fußball-Fan nur gönnen. Er ist vermutlich der beste Spieler, der jemals dieses Spiel gespielt hat. Nun krönt er seine gigantische Karriere mit dem größten Erfolg, den es zu feiern gibt. Dazu aus vollem Herzen: Herzlichen Glückwunsch!

Aber, und das ist ein großes Aber: Es bleibt ein fader Beigeschmack, WIE sein Team sich auf dem Weg zum Titel benommen hat. Die Argentinier sind in Katar nämlich auch Weltmeister im unsportlichen Verhalten geworden.

Exemplarisch dafür steht Torwart Emiliano Martinez. Der 30-Jährige spielte ein tolles Turnier, entschied mit seinen Paraden gleich zwei Elfmeterschießen für Argentinien, hielt in den letzten Sekunden der Verlängerung mit einer Weltklasse-Fußabwehr gegen Randal Kolo Muani. Die Argentinier können sich auch bei ihm für den WM-Titel bedanken. Völlig zurecht kürte die Fifa Martinez anschließend zum Torwart des Turniers.

Bei der Zeremonie zeigte er dann aber, dass er nicht nur ein sehr guter Torwart ist, sondern auch, nun ja, ein Depp. Grimasse ziehend hielt er sich die Trophäe vor den Schritt, um damit die Franzosen zu verhöhnen, wie er später angab.

Die waren nämlich nicht angetan von Martinez' Sperenzchen. Während des Elfmeterschießens hatte er etwa den Ball demonstrativ zur Strafraumkante geworfen, als Aurelien Tchouameni zu dem wohl wichtigsten Elfmeter seiner Karriere ansetzen wollte. Psychospielchen mit Erfolg: Der Franzose vergab.

Beim Feiern in der Kabine zeigen Videos nun, wie Martinez seine Kollegen hämisch um "eine Schweigeminute für Mbappé" bittet. Der französische Superstar hatte drei Tore im Finale geschossen, die am Ende trotzdem nicht für den Titel reichen sollten. Jedem Fußballfan blutet da das Herz, Martinez feixt sich eins auf Kosten des tragischen Helden. Das ist überheblich und grob unsportlich, es ist schlicht ehrlos.

Argentinische Spieler verhöhnen Gegner mit Gesängen

Und Martinez ist kein Einzelfall: Schon nach dem Halbfinalsieg über Kroatien drangen Videos aus der Kabine an die Öffentlichkeit, in denen die Argentinier fröhlich singend ihre Gegner verhöhnten. Dabei ging es etwa um "englische Bastarde" und den Krieg um die Falkland-Inseln. Auch Dauer-Rivale Brasilien bekam sein Fett weg. Dabei hat Argentinien in Katar weder gegen England noch gegen Brasilien gespielt.

Es ist das eine, wenn Fans solche Texte singen. Spieler sollten sich nie dazu herablassen.

Auch auf dem Platz zeigten die Argentinier oft ihr hässliches Gesicht. Die Gauchos sind ohnehin für eine raue Gangart bekannt, spielen hart, stehen auf den Füßen. So weit, so gut. Das gehört dazu. Solche Mannschaften sind unangenehm zu spielen. Andersrum waren die Argentinier aber im Gegenzug sehr zart besaitet, ließen sich immer wieder theatralisch fallen, haderten während und nach den Spielen massiv mit Schiedsrichtern und im Finale taktierten sie in der zweiten Hälfte, als sie 2:0 in Front lagen, mit heftigem Zeitspiel. Jedes noch so kleine Foul nutzten sie zum Liegenbleiben und Schauspielern. Dabei gilt auch auf dem Fußballplatz die alte Regel: Wer hart austeilt, sollte auch einstecken können.  

Das wohl dreckigste Spiel des Turniers lieferten die Argentinier aber schon im Viertelfinale gegen die Niederlande ab. Beispielhaft für das unsportliche Verhalten steht eine Szene kurz vor Ende der regulären Spielzeit. Es steht noch 2:1 für Argentinien, Leandro Paredes mäht nahe der Außenlinie völlig übermotiviert seinen Gegner Nathan Ake um, der Ball trudelt zur Außenlinie. Paredes springt auf, sprintet die paar Meter zum Ball und jagt ihn mit Vollspann in die niederländische Ersatzbank. Die Spieler springen natürlich auf, es kommt zur Rudelbildung. Paredes sieht Gelb für das Foul, nicht aber für die unsportliche Aktion. Motivation und Kampfgeist in allen Ehren, aber solche Aktionen braucht einfach kein Mensch. Sie sind eines Gewinners unwürdig.

Selbst Lionel Messi ließ sich anstecken

Und selbst Messi, der Mann, um den sich in Argentinien alles dreht, zeigte sich in Katar nicht immer von seiner besten Seite. Seinen Treffer per Elfmeter in eben jenem Spiel bejubelte er provokant mit einer Geste vor der Bank der Niederländer. In einem Interview nach Abpfiff bepöbelte er vor laufenden TV-Kameras den Doppeltorschützen seines Gegners mit den Worten: "Was guckst du, du Idiot?"

Den Argentiniern wird das am Ende vermutlich alles herzlich egal sein. Sie haben ihr Ziel erreicht – nur haben sie diesem Ziel eben auch das Benehmen und den Sportsgeist untergeordnet. 

Na und? So gewinnt man eben große Turniere, könnte man einwenden. Könnte man. Doch es gibt jede Menge Gegenbeispiele in der Welt des Sports. Wo die Größten in ihren größten Momenten eben auch die größten Sportsmänner geblieben sind. Roger Federer, quasi der Messi des Tennis, hat seine gesamte Karriere so verbracht. Rafael Nadal ebenso. Und im Fußball war der große Carlos Puyol stets dafür bekannt, seine Mitspieler einzufangen, wenn sie nach einem Tor den Gegner verhöhnten.

Aber so viel Sportsgeist hätte diese WM auch nicht verdient gehabt. Diese WM ausgetragen in einem Land, in dem Meinungen unterdrückt und Frauen unterjocht werden. Veranstaltet von einer korrupten Fifa, angeführt von einem Clown, der in Katar unter Beweis gestellt hat, dass er endgültig den Bezug zur Realität verloren hat.

Zu dieser Fifa und zu diesem Ausrichter passt ein unsportlicher Sieger doch ganz gut.

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