Down-Syndrom: Irgendwie anders, irgendwie normal

22.03.2019 14:50

"Irgendwie anders und irgendwie normal - kleines bisschen extra, irgendwie egal ..." singt der Hamburger Rapper Roger Reddich im Refrain. Der Song zum heutigen Welt-Down-Syndrom-Tag soll ein Zeichen für Vielfalt und Inklusion setzen. Und er hat großes Ohrwurmpotenzial: "Meine kleine Nichte Maja und ihr Bruder wollen das Lied immer wieder hören und tanzen voll dazu ab. Also ich scheine den Nerv der Kids getroffen zu haben", freut sich der Musiker. Die Idee zum Song hatten die Mitglieder des Vereins KIDS Hamburg (Kompetenz- und Infoszentraum Down-Syndrom). Die Frage war: Wie kann man Toleranz schaffen, Berührungsängste nehmen und zugleich über das Down-Syndrom aufklären? Die Vereins-Mitglieder dachten sich: am besten mit Musik.

Im Musikvideo zum Song spielt Rapper Roger Reddich an der Seite von Konstantin. Er hat das Down-Syndrom. Im Video sind die beiden auf dem Weg zu ihrem Job als Kindergarten-Musiker. "Das hat sehr, sehr viel Spaß gebracht. Konstantin hat alles mitgemacht, fand das alles richtig cool und ist da voll drin aufgegangen", erzählt Roger Reddich. Am zweiten Drehtag ging es dann in eine Hamburger Kita, in der sich regelmäßig eine der Vereinsgruppen trifft. "Und dort haben wir den Song dann quasi als Kita-Musiker performt. Wir hatten da bestimmt 30 Kinder, dazu die Eltern. Ja, das war eine wilde Konfetti-Party." Und von dem kunterbunten Konfetti hat Roger Reddich an diesem Tag so einiges abbekommen.

Den Song-Text hat der Hamburger Musiker eigens für den Verein und seine Nichte Maja geschrieben, auch sie hat das Down-Syndrom. "Das Schreiben hat mir sehr viel Spaß gemacht, da ich viel an an meine Nichte gedacht habe und ihr damit auch etwas Gutes tun wollte", sagt Reddich. Das ist ihm offenbar gelungen. "Als ich den Leuten im Verein die erste Version des Textes geschrieben habe, flossen in der Gruppe Tränen der Rührung."

Auftakt-Party zum 20-jährigen Jubiläum

Die Veröffentlichung des Songs bildet gleichzeitig den Auftakt für die Feierlichkeiten zum 20-jährigen Jubiläum des Vereins. "Dieses Jahr ist ein großes Party-Jahr für uns", freut sich Vereinsleiterin Regine Sahling. Unter dem Motto "Vielfalt ist #schwerinordnung!" wollen die Mitglieder mit verschiedenen Aktionen nicht nur den Geburtstag ihres Vereins feiern, sondern auch zeigen, wie Menschen mit Down-Syndrom in Hamburg leben.

Aus den anfangs 13 Eltern im Verein sind inzwischen mehr als 450 Mitglieds-Familien geworden. "Unvorstellbar, dass wir schon so lange zusammen unterwegs sind. Als wir den Verein 1999 gegründet haben, waren wir alle Eltern von ganz kleinen Kindern", erinnert sich Sahling. "Zu der Zeit war für uns Beratung das wichtigste Thema, denn wir wollten unsere eigenen Erlebnisse und Erfahrungen, besonders bei der Diagnose-Vermittlung an junge neue Eltern, weitergeben - also was dieser Befund bedeutet, wo man beraten wird und wer Unterstützung anbietet."

"Die Aufgaben sind mit unseren Kindern gewachsen"

Im Laufe der Jahre sind neue Aufgaben dazugekommen. Der Verein betreibt aktive Jugendarbeit, er berät zu Themen wie Schule, Wohnen und Arbeit. Außerdem wurden verschiedene Gruppen, ein inklusiver Jugendtreff und sogar eine eigene Zeitschrift gegründet - im Jubiläumsjahr erscheint die 40. Ausgabe von "KIDS Aktuell". "Die Themen haben sich mit dem Aufwachsen der Kinder verändert", so Sahling. Viele der Kinder sind heute erwachsen, sind selbst Mitglied im Verein und gestalten die Ideen und Projekte aktiv mit.

Leben, nicht leiden

Trotz all dieser Erfolge gebe es noch viel zu tun. "Es ist noch lange nicht selbstverständlich, dass Menschen mit Down-Syndrom zu unserer Gesellschaft dazugehören", macht Sahling deutlich. Sie und ihr Sohn haben das erst kürzlich wieder erlebt, als der Schwerbehinderten-Ausweis verlängert werden sollte. "Dann hat der Arzt nochmal gefragt: 'Sagen Sie doch mal, was für Beschwerden haben Sie denn?' Und dann hat mein Sohn gesagt: 'Ich möchte mich beschweren, dass der Schwerbehinderten-Ausweis nicht Schwer in Ordnung-Ausweis heißt.' Daraufhin hat der Arzt ihn angeguckt und gesagt: 'Nein, das meine ich nicht, ich meine, was für Symptome haben sie denn?'"

Solche Erlebnisse verärgern Sahling. Denn ihr Sohn hat keine Beschwerden, er muss keine körperlichen Leiden ertragen und das Down-Syndrom ist keine Krankheit. Trotz der cleveren Antwort des Sohnes habe der Arzt daraufhin nur noch mit der Mutter selbst gesprochen. "Menschen mit Down-Syndrom erleben immer wieder, dass sie nicht ernst genommen werden, dass ihre Bemühungen umsonst sind. Und dann reagiert jeder Mensch darauf mit Verzweiflung, Rückzug oder Aggression. Also das hat nichts mit Down-Syndrom-spezifischem Verhalten zu tun", so Sahling.

Wir sind alle anders

Regine Sahling und Rapper Roger Reddich hoffen, dass der Song viele Menschen erreicht und damit ein kleines Stückchen dazu beitragen kann, Vorurteile und Berührungsängste abzubauen. "Natürlich sind Menschen mit Down-Syndrom in vielen Dingen anders. Aber anders ist sozusagen jeder, das ist einfach Teil der Vielfalt. Und deshalb hoffen wir zu zeigen, dass Menschen mit Down-Syndrom genauso zur Gesellschaft gehören wie alle anderen."

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