Epilepsie

11.11.2019 09:52

Ein Körper im Kampf mit sich selbst, er krümmt sich und zuckt unentwegt: So oder so ähnlich werden epileptische Anfälle üblicherweise im Film dargestellt. Im echten Leben jedoch zeigt das Krankheitsbild der Epilepsie völlig unterschiedliche Ausprägungen: von nahezu symptomlos bis zum Krampfanfall.

Was ist Epilepsie?
Was sind die Ursachen von Epilepsie?
Welche Anfallsformen gibt es?
Welche Folgen kann Epilepsie haben?
Woran erkennt der Arzt die Epilepsie?
Wie behandelt der Arzt die Krankheit?
Wie sieht ein Leben mit Epilepsie aus?

Was ist Epilepsie?

Epilepsie bezeichnet ein Krankheitsbild, bei dem eine angeborene oder erworbene Funktionsstörung im Gehirn zu epileptischen Anfällen führt. Weil solche Anfälle mit starken Krämpfen einhergehen können, wird die Epilepsie im Volksmund als „Krampfleiden“ oder früher auch als „Fallsucht“ bezeichnet.

Was passiert bei einem epileptischen Anfall?

Aufgrund einer neurologischen Störung senden bestimmte Nervenzell-Gruppen im Gehirn anfallsartig und gebündelt Signale, die eine unwillkürliche körperliche Reaktion auslösen. Das kann ein kurzes, kaum spürbares Kribbeln am Bein sein oder ein etwa 30 Sekunden langes „Einfrieren“ der Mimik und Bewegung (sogenannte Absence). Und schließlich auch ein mehr minütiger Krampfanfall, der sich mit einer Aura ankündigen und in einen Status epilepticus (einen sehr langen Anfall oder eine Anfallserie) münden kann.

Eine Aura ist so etwas wie der Vorbote eines epileptischen Anfalls. Dabei können ungewöhnliche Sinneseindrücke auftreten, Sehstörungen oder Missempfindungen im Bauchraum (Viszerale Aura). Allerdings beginnt nicht jeder epileptische Anfall mit einer Aura, und nicht jede Aura zieht notgedrungen weitere Anfallszeichen nach sich.

Was sind die Ursachen von Epilepsie?

Hinsichtlich der Ursachen wird in verschiedene Epilepsie-Formen unterschieden:

Symptomatische Epilepsie: Die Anfälle sind auf eine spezifische Ursache zurückzuführen, beispielsweise:

  • Kopfverletzung
  • Gehirntumor
  • Entzündung des Gehirns bzw. der Hirnhaut (Enzephalitis, Meningitis)
  • Durchblutungsstörungen im Gehirn
  • Stoffwechselstörungen

Idiopathische Epilepsie: Die Krankheit ist genetisch bedingt, ohne dass andere eindeutige Ursachen vorliegen. Mit den heutigen Mitteln der Medizin kann diese Form häufig noch nicht genauer beschrieben werden.

Welche Anfallsformen gibt es?

Bei epileptischen Anfällen unterscheidet der Neurologe (Facharzt für Erkrankungen des Nervensystems) zwischen fokalen und generalisierten Anfällen.

Bei fokalen Anfällen (auch partielle Anfälle genannt) kann eine ganz bestimmte Hirnregion als Entstehungsherd identifiziert werden. Deshalb heißen fokale Anfälle auch „Herdanfälle“.

  • Einfache fokale Anfälle: Der Betroffene bleibt bei Bewusstsein. Symptome können außergewöhnliche Geruchswahrnehmungen sein, Halluzinationen, Störungen des Geschmackssinns oder auch Beeinträchtigungen beim Sprechen.
  • Komplexe fokale Anfälle: Das Bewusstsein ist mitunter beträchtlich gestört. Sprache und Bewegungen des Patienten können völlig konfus erscheinen.

Bei generalisierten Anfällen ist der Ursprungsort im Gehirn nicht bekannt. Eine Ausnahme sind die sogenannten sekundären generalisierten Anfälle, die sich aus fokalen Anfällen entwickeln können.

Ärzte unterteilen generalisierte Anfälle anhand der Symptome in mehrere Untergruppen, zum Beispiel in:

  • Myoklonische Anfälle: Während des Anfalls zucken einzelne Muskeln oder Muskelgruppen, und das in der Regel nur für wenige Sekunden.
  • Absence: Eine meist recht kurze Bewusstseinspause, begleitet von einem plötzlichen Bewegungsstopp. Der Betroffene ist während einer Absence (auch Petit-mal, franz. für „kleines Übel“) nicht ansprechbar.
  • Tonisch-klonische Anfälle: Der „klassische“ epileptische Anfall, der auch als Grand-mal bezeichnet wird (franz. für „großes Übel“). Typisch ist eine plötzliche Muskelverkrampfung mit anschließenden rhythmischen Zuckungen der Muskeln. Hinzu kommt Bewusstlosigkeit, es herrscht Sturzgefahr. Eventuell sammelt sich Schaum am Mund des Patienten.

In welchem Alter können epileptische Anfälle auftreten?

Epileptische Anfälle sind zu jeder Lebenszeit möglich. Allerdings sind Neugeborene (vor allem Frühgeborene) und Kinder besonders gefährdet. Epilepsie und epileptische Syndrome gehören zu den häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindesalter.

Beispiele für Epilepsie-Formen, die ausschließlich Kinder betreffen bzw. im Kindesalter erstmals auftreten:

  • Rolando-Epilepsie: Häufigste Form, Anfälle meist nur im Schlaf
  • Doose-Syndrom: Seltenes epileptisches Syndrom mit Muskelzuckungen und anschließendem Verlust der Muskelspannung
  • Dravet-Syndrom: Sehr seltene Epilepsie-Form, häufig verbunden mit Störungen der geistigen Entwicklung

Aber auch ansonsten gesunde Erwachsene sind vor den Anfällen nicht gefeit. Experten vermuten, dass zwischen fünf und zehn Prozent aller Menschen zumindest einmal im Leben einen epileptischen Anfall erleiden. Aber erst, wenn solche „Gelegenheitsanfälle“ öfter vorkommen und sich ohne erkennbaren Auslöser wiederholen, spricht man tatsächlich von Epilepsie. Ursachen für diese spontanen Anfälle gibt es viele, beispielsweise:

  • Infektionen
  • Stoffwechselerkrankungen
  • Vergiftungen
  • Sauerstoffmangel
  • Alkoholentzug
  • Schlafmangel

Welche Folgen kann Epilepsie haben?

Dauert ein epileptischer Anfall besonders lange (länger als zehn Minuten) oder folgen mehrere Anfälle sehr zeitnah hintereinander, sprechen Mediziner von Status epilepticus. Bei ausgeprägten Anfällen besteht die Gefahr für Organschädigungen. Wichtige Körperfunktionen können entgleisen oder ausfallen. Ein Status epilepticus ist daher immer eine Notfallsituation, die eine schnelle ärztliche Versorgung nötig macht.

Wie verhalte ich mich als Ersthelfer?

Wichtig ist vor allem, Ruhe zu bewahren. In den meisten Fällen ist der epileptische Anfall nach ein bis zwei Minuten wieder vorbei. Alle gefährlichen Gegenstände sollten in der Zeit aus dem Weg geräumt werden, damit sich der Betroffene nicht verletzt. Der Epileptiker darf nicht festgehalten werden, eventuell empfiehlt es sich aber, seine Kleidung zu lockern. Er sollte nicht alleine sein, bis der Anfall vorüber und die anschließende Verwirrtheit abgeklungen ist.

Dauert der Anfall länger als fünf Minuten an oder wiederholt er sich innerhalb einer Stunde, muss der Notarzt gerufen werden. Das ist auch zu tun, wenn es sich um den ersten Anfall überhaupt handelt, wenn sich der Betroffene beim Krampfen verletzt hat oder der Anfall ungewöhnlich aussieht.

Wie wird Epilepsie diagnostiziert?

Bei Verdacht auf Epilepsie muss der Neurologe eine ausführliche Anamnese erheben, also die Krankengeschichte des Patienten erfassen. Dazu gehören Fragen wie:

  • Gibt es in der Familie bereits Fälle von Epilepsie?
  • Welche Vorerkrankungen bestehen? Erkrankungen des Nervensystems, psychische Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen?
  • Gab es Probleme bei der Schwangerschaft der Mutter oder bei der Geburt des Patienten, zum Beispiel eine Sauerstoffunterversorgung?

Auf die Anamnese folgt die umfassende körperliche Untersuchung, im Zuge derer der Arzt auch Reflexe und Koordination des Patienten testet und Blut abnimmt.

Mithilfe von medizintechnischen Verfahren kann der Mediziner die Diagnose festigen und auf die Suche nach Ursachen gehen. Dafür stehen ihm verschiedene Methoden zur Verfügung: Mittels Elektroenzephalographie (EEG) kann er die Gehirnströme messen und auf Unregelmäßigkeiten prüfen. Mit bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) können andere Erkrankungen ausgeschlossen werden.

 

Wie wird die Krankheit behandelt?

Die Therapie richtet sich nach dem individuellen Krankheitsbild. Übergeordnetes Ziel ist dabei immer, eine (weitgehende) Anfallsfreiheit und damit eine deutlich erhöhte Lebensqualität des Patienten zu erreichen.

Folgende Behandlungsoptionen sind möglich:

  • Spezielle Medikamente: Sogenannte Antiepileptika (Antikonvulsiva) steuern der Entwicklung epileptischer Anfälle im Gehirn entgegen. Die Neigung zu Anfällen wird dadurch unterdrückt – aber nicht geheilt.
  • Operationen am Gehirn: Spricht ein Patient unzureichend auf die medikamentöse Behandlung an (oder verträgt sie nicht), prüft der Arzt die Möglichkeit eines chirurgischen Eingriffs. Voraussetzung für eine erfolgreiche OP ist aber, dass der Ursprung der Epilepsie bekannt und operabel ist.
  • Vagusnerv-Stimulation: Während einer Operation wird dem Patienten ein elektrischer Stimulator unter die Brustmuskulatur gesetzt. Dieser Stimulator erregt den Vagusnerv, der ins Gehirn führt. Dadurch kann die Häufigkeit epileptischer Anfälle reduziert werden.

Wie sieht ein Leben mit Epilepsie aus?

Epilepsien können ausheilen. Vor allem Kinder unter zwölf Jahren haben eine gute Chance auf eine spontane Heilung in der Pubertät. Wenn die Epilepsie aber bleibt, bedeutet das für Betroffene eine große Behinderung im Alltag. Reisen oder bestimmte Berufe (in der Höhe zum Beispiel) werden aufgrund der Unfallgefahr zum Risiko. Den Führerschein erhalten nur anfallsfreie Patienten. Die Krankheit belastet auch psychisch. Viele Patienten leiden unter Depressionen und suchen Rat in Selbsthilfegruppen.

Mit den heutigen Mitteln der Medizin ist Epilepsie gut beherrschbar: Dank der Antiepileptika können die Anfälle in etwa 80 Prozent der Fälle reduziert oder gar komplett unterdrückt werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Epilepsie-Therapie ist eine gründliche Diagnostik. Epilepsie kennt viele Ursachen, und epileptische Anfälle zeigen viel mehr Gesichter als das eine, das man gemeinhin aus Film und Fernsehen kennt.

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