Er feiert die Rückkehr von Alex Jones: Elon Musk macht Twitter endgültig zur Bühne der Verschwörungstheoretiker

13.12.2023 12:04

Nach einer Abstimmung hat Elon Musk Infowars-Betreiber Alex Jones zurück zu Twitter/X geholt. Und ihm gleich die ganz große Bühne geboten. Es passt zur Entwicklung des Netzwerkes, das zunehmend Meinungsfreiheit mit Verschwörungs-Mythen verwechselt.

Es war eine der aufsehenserregenden Sperrungen bei Twitter: 2018 zog der Kurznachrichtendienst bei Verschwörungs-König Alex Jones die Reißleine. Nun hat Neubesitzer Elon Musk ihn nach einer Abstimmung zurückgeholt. Dabei hatte er bei einer von Jones' Lieblingesverschwörungen vor einiger Zeit noch eine harte Grenze gezogen. Überraschend kam die Entwicklung aber nicht – im Gegenteil. 

Das zeigte sich schon daran, wie Musk Jones' Rückkehr zelebrierte. "Die Menschen haben entschieden", kündigte Musk die Entscheidung an. Wobei nicht alle X-Nutzer, sondern nur Musks Follower zur Abstimmung gebeten worden waren. Doch dabei blieb es nicht: der X-Besitzer hieß den umstrittenen Verschwörungs-Blogger gleich persönlich Willkommen, indem er sich über zwei Stunden mit ihm zum Gespräch in einem X-Space traf. Und ihm so eine Bühne vor Hunderttausenden Zuhörern bot.

Willkommen im Verschwörungs-Talk

Und diese Runde hatte es in sich. Mit hörbar rotem Kopf redete sich Jones in Rage, schimpfte über die Overlords, die die Matrix kontrollierten. Beistand für die Weltverschwörungsthoerien gab es von prominenten Stimmen der Szene. Ob der wegen Menschenhandel angeklagte Andrew Tate oder der von Donald Trump begnadigte Ex-General Michael Flynn, der in der Vergangenheit wegen Falschaussagen gegenüber dem FBI verurteilt worden war und Qanon-Mythen verbreitete. Sie alle wurden von Musk als ganz normale Gesprächspartner behandelt, denen man zuhören sollte.

Gemeinsam hatte die illustre Runde, dass sie wegen unzähliger Verstöße gegen die Richtlinien von Twitter herausgeworfen worden – und von Musk rehabilitiert worden waren. Und dass sie politisch eher am rechten als am linken Rand zu finden sind. Musk war offenbar mächtig stolz darauf. Eine Zusammenfassung des Talks ist als gepinnter Post an oberster Stelle seines Profils zu finden. 

Twitter/X rutscht ab

Das taugt durchaus als Sinnbild für die allgemeine Entwicklung des Kurznachrichtendienstes. Nachdem Musk Twitter vor einem knappen Jahr übernommen hatte, erklärte er immer wieder die Meinungsfreiheit zum höchsten Gut der Plattform. Sie solle der "weltweite Marktplatz der Meinungen" werden, die bevorzugte Nachrichtenquelle der Nutzer, kündigte er wiederholt an. In der Praxis bedeutet das aber vor allem einen Rechtsruck der Seite. Schon im März hatte etwa eine Studie eine Verdoppelung antisemitischer Inhalte auf der Seite dargelegt.

Eine wichtige Rolle spielt dabei auch Musk selbst. Immer wieder teilte er in der Vergangenheit Meme oder Posts, die sich mindestens als Zustimmung zu Verschwörungs-Mythen interpretieren lassen. So äußerte er sich zustimmend zu Tweets, die eine gezielte Unterwanderung der amerikanischen Gesellschaft durch Einwanderer unterstellten – und die Juden als Drahtzieher nannten. Das sogenannte "Great Replacement", dass die Abschaffung der Weißen zum Ziel haben soll, ist eine beliebte Verschwörungdserzählung der extremen Rechten. 

Seine späteren Distanzierungen waren mehreren wichtigen Werbekunden zuletzt offenbar nicht glaubhaft genug: Mit Apple, Disney und mehreren anderen großen Filmstudios zogen in der Folge einige der wichtigsten Werbekunden ihre Buchungen zurück. Musk reagierte auf den Einnahmeeinbruch auf seine eigene Weise: "F*ck You" postete er in Richtung der abgesprungenen Kunden. Sie alle seien Feinde der Meinungsfreiheit. 

Jones war die Grenze

Dass Musk ausgerechnet Jones zurückholt, kam trotzdem überraschend. Zwar hatte X seit Anfang des Jahres bereits zahlreiche gebannte Accounts, vor allem aus dem rechten Lager, zurück auf die Seite gelassen. Gegen eine Freischaltung von Jones hatte Musk sich aber noch letztes Jahr persönlich ausgesprochen. "Ich habe keinerlei Gnade für Menschen, die den Tod von Kindern nutzen, um davon zu profitieren, ob politisch oder für Ruhm", erklärte er damals unter Bezug auf Jones Verbreitung der Sandy-Hook-Verschwörungstheorie. Musk berief sich sogar auf den Tod seines eigenenen Kindes, das mit 2002 dem plötzlichen Kindstod erlegen war.

Jones gilt als einer der wichtigsten Verbreiter der Verschwörungs-Erzählung, dass der grausige Amoklauf an der Grundschule von Sandy Hook nur gestellt war und der Täter nicht 28 Menschen, darunter 20 Kinder ermordet hatte. Jones wurde deshalb verklagt und zur Zahlung von fast einer Milliarde Dollar Schadensersatz verurteilt. 

Von Musk nun damit konfrontiert, ruderte Jones allerdings zurück. Er habe nur über eine Theorie berichtet, die schon vorher existiert habe, redete er sich in dem Gespräch heraus. Mittlerweile würde er aber auch glauben, dass die grausame Tat tatsächlich passiert sei, betonte er mehrfach.

Musk wittert "staatliche Manipulation"

Musk selbst ließ ein Umdenken bisher nicht erkennen. Die jüngste Verschwörung witterte der X-Besitzer nun ausgerechnet bei der Funktion, die er eigentlich als Garant der Wahrheit bewirbt. In den sogenannten Community Notes kann eine ausgewählte Gruppe von Nutzern Inhalte mit Zusatzangaben versehen, um diese einzuordnen. Auch Musk ist das nun zum wiederholten Male passiert. In den letzten Tagen hatte er sich auf die Verhaftung des prorussischen Bloggers Gonzalo Lira in der Ukraine eingeschossen, witterte Zensur durch den Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. 

Als sein Post dazu mit einem Hinweis versehen wurde, der die Gesetzeslage in der Ukraine erklären sollte, sah Musk das allerdings nicht als willkommene Ergänzung – sondern eine Verschwörung. "Wir beobachten hier eine Beeinflussung durch staatliche Stellen", behauptete er, man werde es weiter untersuchen. Nicht mal auf dem eigenen Netzwerk ist Musk also mehr sicher.

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