Hurra, Hurra, der Pumuckl ist wieder da – und macht unseren Autor selig!

28.12.2023 10:32

Unser Autor hat hochgespannt und ein bisschen skeptisch auf die Neuauflage seiner frühere Lieblingskinderserie gewartet. Nun sind die  "Neuen Geschichten vom Pumuckl" zu sehen. Sein erstes Fazit: Ein kleines Wunder ist geschehen.

Ich war Anfang 30, als ich zum ersten Mal nach München gezogen bin, eine Stadt, in der ich zuvor nie länger als ein paar Hotelübernachtungen am Stück verbracht hatte. Und doch fühlte es sich an, als sei ich heimgekehrt. 

Wir Kinder der 70er und 80er sind alle ein bisschen in München aufgewachsen. Grund dafür ist ein Kobold namens Pumuckl. Wir kannten den besonderen Charme der Hinterhöfe der bayerischen Landeshauptstadt, hatten in den 52 Folgen der ungemein beliebten Serie jene speziellen Münchner Figuren und Faktoten kennengelernt, die diese besondere Stadt ausmachten: die streitbare Bernbacherin, die abergläubische Frau Eichinger, Herrn und Frau Stürtzlinger und natürlich den grantig-liebenswerten Meister Eder himself. Der alte, heute – „Kreizbirnbamhollerstaun!“ – leider seltener gewordene Zungenschlag war uns vertraut wie der unserer eigenen Großeltern. 

Überhaupt schien sich damals das Leben in deutschen Serien vornehmlich in München abzuspielen. Gegen die Stadt, die den Meister Eder, die Mannschaft der Polizeiinspektion 1, den Monaco Franze oder den Baby Schimmerlos hervorbrachte, schienen selbst Metropolen wie Berlin oder Hamburg schwer mithalten zu können. Irgendwie und sowieso war München der Sehnsuchtsort dieser Jahre.

Das alte München existiert schon lange nicht mehr

Bis zu jenem Jahr 2005, als ich ins real existierende München ziehen sollte, hatten der Pumuckl und ich uns aus den Augen verloren. Einmal besuchte ich meinen Freund Malte, der in die Widenmayerstraße 2 an der Isar gezogen war, und staunte nicht schlecht, den Innenhof der Schreinerei Eder zu erkennen – bloß leider ohne den vertrauten Vorbau mit der Tischlerei, der längst abgerissen worden war. Nur mit viel Fantasie ließ sich der alte Innenhof im Geiste rekonstruieren. 

Dann aber zog ich in ein altes Schwabinger Wohnhaus, das zwar keine Schreinerei beherbergte, dafür aber eine Porzellanklinik. Herr Deesy, der Meister des Zusammenklebens zerbrochener Kaffeehäferl wie auch der Rekonstruktion kunsthistorisch wertvoller, aber ramponierter Porzellanvasen, war kein knorriger Bayer wie Gustl Bayerhammer, sondern ein Ungar, der sich nicht minder aufs Granteln verstand. Das Setting seiner Hinterhofwerkstatt und der vielen liebenswürdigen skurrilen Münchener Gestalten, die dort ein und ausgingen, aber war ähnlich und rüttelte in mir die alte Pumuckl-Liebe wach. Es hätte mich keine Sekunde verwundert, wenn bei Herrn Deesy auch ein Kobold zwischen all den Nymphenburger Porzellanengerln herumgehüpft wäre.

Dieses Weihnachten (25.12 ab 15.45 Uhr / 26. Dezember ab 15.15 Uhr) nun läuft auf RTL (und bei RTL+) das große Wagnis, neue Geschichten des Pumuckl zu erzählen. Es gibt bloß ein Problem, für das die Produzenten nicht wirklich etwas können: Das München von damals, das man so gerne mit dem Pumuckl wieder besucht hätte, existiert kaum noch. In die alten Hinterhof-Werkstätten sind Ateliers von Designerin wie Stefan Diez oder Ingo Maurer eingezogen. 

Wiedersehen mit Münchner Figuren und Faktoten 

Und dann funktioniert diese Serie doch, und zwar auf Anhieb. Das liegt recht sicher am Tegernseer Markus H. Rosenmüller ("Wer früher stirbt ist länger tot"), jenem Regisseur, der das bayerische Wesen am genauesten zu durchschauen scheint und die Stadt und ihre Seele kennt. Wenn in Folge zwei ein Paketbote die Schreinerei als Ablageort für die gesamte Nachbarschaft Eders umfunktioniert, klingelt das bei mir sogleich Erinnerungen an ähnliche Situationen mit meinem früheren Nachbarn Herrn Deesy wach. Als mich meine Mutter einmal in der Clemensstraße besuchte, war sie ihm begegnet und hatte ihn sogleich als den berühmten Porzellandoktor gegrüßt. Er antwortete mit herrlichem ungarischen Akzent: "Porzellandoktor bin ich nur nebenberuflich, hauptberuflich bin ich Postamt für Ihren Herr Sohn."

Den Verlust des alten Original-Gebäudes hat die Produktionsgesellschaft "Neue Super" mit einem aufwendigen Kulissenbau am Stadttand Münchens ausgleichen können. Der berühmte Hof wurde dort perfekt rekonstruiert und dann "mit geheimnisvollen Zutaten", wie Artdirektor Carl Oberweisenbuchner sagt, wieder auf alt und verstaubt gemacht, "damit der Lack dann auch blättert". Das Vordach, die Dackelfigur am Eingang, die wackelige Werkstatttüre mit den umfallenden Latten, das kleine Pumuckl-Bettchen und die Schiffschaukel, alles ist wieder da, wackelt, quietscht und staubt wie ehedem. Aber wer soll den Meister Eder ersetzen, den der 1993 verstorbene Volksschauspieler Gustl Bayrhammer so brillant verkörpert hatte? Der Versuch einer Neuauflage 1999 mit Towje Kleiner, der als Schiffskoch Odessi mit einer gschlampert gezeichneten Version des Kobolds auf Reisen ging, scheiterte kläglich. 

Stimme aus dem Jenseits – mittels KI 

Daraus scheint man gelernt zu haben: Der Pumuckl aus den "Neuen Geschichten" ist ein kleines Meisterwerk, perfekt umgesetzt und unverkennbar er selbst. Barbara von Johnson, die in den 80ern als Studentin die Ausschreibung gewonnen hatte und den Ur-Pumuckl entwarf, stand als Grande Dame mit feuchten Augen Pate. Diesmal krächzt der Kabarettist Maxi Schafroth die Koboldstimme, mittels künstlicher Intelligenz wird sie mit dem besonderen Timbre des 2005 für immer verstummten Hans Clarin versehen. Dessen flotte und freche Intelligenz lässt sich aber leider nicht zurückholen, sie fehlt dem neuen Pumuckl an manchen Stellen ein wenig. Auch beim Reimen ist der aktuelle Kobold etwas eingerostet. Als Charakter ist er aber der geblieben, den man als Kind kannte – und so gibt es ein echtes Wiedersehen.

Besonders gelungen ist die neue menschliche Hauptfigur: Florian Eder, der Neffe des alten Schreinermeisters, der nach 30 Jahren die verstaubte Werkstatt erbt, seinen Job im Baumarkt hinschmeißt und einzieht. Er ist einer dieser grundsympathischen, etwas verlorenen Provinzhipstertypen, die jeder in München so oder so ähnlich kennt. In seine Rolle schlüpft Florian Brückner, der aus einer Schauspielerfamilie aus dem Landkreis Rosenheim kommt, mit seinem Bruder Maximilian bereits die bayerischen Räuberlegenden Kneißl verkörpert und im "Brandner Kaspar" gespielt hat. Wenn Flocki Brückner als Flori Eder mit dem Pumuckl in Folge drei auf den Südfriedhof geht, ihm erklärt, was „das Sterbseln“  bedeutet und sie gemeinsam beschließen, auf das verwilderte Grab des alten Meister Eders Sägespäne zu streuen, kommen einem unweigerlich die Tränen. 

Kann das Genre der Volksschauspieler zurückkehren?

Die alten Folgen hatten allerdings mit einem Line-up großer Volksschauspieler aufgewartet, einem Genre, das nicht nur in der Neuauflage des Pumuckl in seiner Art beinahe ausgestorben ist. Es gibt keine Erni Singerl mehr, keinen Max Grießer, keine Helga Feddersen. Unglaublich, wer damals in Gastrollen vorbeigeschaut hatte: Helmut Fischer, Wolfgang Völz, Barbara Valentin, Kurz Weinzierl, Michaela May, Georg Thomalla, Hans Brenner und Iris Berben. An einem ähnlichen Staraufgebot versuchen sich die Macher von RTL erst gar nicht, was vielleicht ganz schlau war. Einige der wenigen Gastauftritte sind eher misslungen. Max Thun, Eko Fresh und leider auch Katharina Thalbach bleiben darstellerisch hinter dem zurück, was früher in den schauspielerischen Miniaturen gezeigt wurde. Dafür hat man weniger bekannte, aber grandiose Nebendarsteller eingeführt – allen voran Matthias Bundschuh als pedantischer Nachbar Lothar Hermann Burke mit seinem Köter Herkes, Milan Peschel als Nörgler von der Gewerbeaufsicht, Simon Pearce als nerviger Angler oder Michael Ostrowksi als schmieriger Friseur. Mit der 81-jährigen Ilse Neubauer schaut auch noch eine Darstellerin aus der alten Besetzung vorbei und verströmt wiederum Nostalgie. Auch Hans Stadlbauer, der vor 40 Jahren den alten Meister Eder als tollpatschiger Postbote nervte, ist nun als Millionärsgroßvater dabei, der versucht, die Schreinerei zu kaufen. Als er die nachgebaute Werkstatt betrat, sei er sofort emotional berührt gewesen, sagt Stadlbauer in der flankierenden zweiteiligen Dokumentation "Aus dem Leben eines Kobolds: Pumuckl ist unsterblich."

Doch wie schafft man es, das reale München von heute mit dem Pumuckl zu versöhnen? Fremdelt der klabauternde Kobold möglicherweise sogar mit der international geprägten Metropole des 21. Jahrhundert? Der Serie gelingt es, das heutige München sehr lebensnah abzubilden. Jeder Münchner hat etwa sein italienisches Feinkostgeschäft an der Ecke, mit deren Söhnen oder Töchtern man befreundet oder in die man gar heimlich verliebt ist. Und so trifft sich auch Flori Eder mit seinen Freunden bei Mamma Marthas Alimentari-Laden. Mein persönlicher hieß übrigens "Vini e Panini" in der Nordendstraße und macht die beste Lasagne Münchens.

Die üblichen zwischenmenschlichen Verstrickungen

Die üblichen zwischenmenschlichen Verstrickungen, die sich während des Faschings häufen, sind ebenfalls Teil der Serie, ebenso wie das aussichtslose Ringen der Münchner, geheime Fleckerl in den Parks und an den See zu ergattern, wo nicht schon die Nachbarn warten und lärmen. Und natürlich kennt jeder Bewohner dieser Stadt die nachtschlafenen Wintermorgen, an denen man sich gähnend zum gemeinsamen Aufbruch in die Wintersportgegegenden verabredet hat.

Eder Juniors Nachbarin Klingemann wird übrigens von Dela Dabulamenzi gespielt und sorgt mit ihrer Rasselbande an rotzfrechen Kindern für zeitgemäßes Toben im Hinterhaus. Überhaupt sind wieder alle Kinderrollen großartig gecastet. Die Münchner Stadtgesellschaft ist eben nicht nur noch bayerisch, neben allerlei "Zuagroasten" ist nun mal auch der eine oder andere Saupreiß dabei. Das war schon zu Gustl Bayerhammers Zeiten so, als sich sogar Karl Dall in eine Folge verirrte. Ich selbst war Zeuge eines solchen kulturellen Karambolage, als eine uralte Münchnerin bei einer vermutlich türkischstämmigen Bäckerei-Verkäuferin, die gestochenes Hochdeutsch sprach, "zwoa Semmin, oba resche" bestellte. Nach mehrfachem Nachfragen konnte ich aushelfen: "Die Dame hätte gerne zwei Brötchen, bitte gerne knusprig." Was hätte der Pumuckl sich zu dazu für schöne Reime ausgedacht! Ist die Semmel heut' nicht resch, schaut dumm die Oma aus der Wäsch! 

An Weihnachten wird der Pumuckl dann auch die Bezahlschranke überwunden haben, und ist im Hauptprogramm von RTL zu sehen. Es war auch höchste Zeit, dass er zurückgekehrt ist. Pumuckls Unbeschwertheit und ein wenig Lust am Necken und Verstecken sind vielleicht genau das, was dieses Land im Moment nötig hat: ein bisserl Glückseligkeit.

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