Ich weine jeden Tag : Athleten geißeln Essen, Coronatests und Wohnsituation in Quarantänehotels

09.02.2022 11:38

Bei Olympia 2022 in Peking sorgen die Zustände in einigen Quarantänehotels weiter für Ärger. Immerhin haben die Organisatoren mittlerweile reagiert – und es gibt sogar erste Verbesserungen.

"Ungenießbare Mahlzeiten", wenig oder gar kein Zugang zu Trainingsgeräten und ein verwirrendes und zuweilen unlogisch erscheinendes Coronatestsystem: Die Bedingungen in den Quarantänehotels bei den Olympischen Winterspielen in Peking stoßen bei betroffenen Sportlerinnen und Sportlern weiter auf heftige Kritik.

"Mein Herz kann es nicht ertragen", klagte die polnische Eisschnellläuferin Natalia Maliszewska auf Instagram. Die 26-Jährige war am 30. Januar positiv auf das Coronavirus getestet und daraufhin von der Qualifikation am vergangenen Samstag für ihre Paradedisziplin, die 500 Meter, ausgeschlossen worden, wie die US-Zeitung "USA Today" berichtet. Am Vorabend des Rennens sei sie dann unerwartet aus der Isolation entlassen worden, nur um wenige Stunden vor dem Start erneut positiv getestet und sofort wieder in Quarantäne gesteckt zu werden. Am Sonntag, dem Tag nach dem Qualifikationsrennen, sei ihr Test wieder negativ gewesen und sie habe die Isolation verlassen dürfen.

"Ich weiß, dass viele Menschen diese Situation nicht verstehen. Positive und negative Tests, Tests, die die Isolation bestätigen, plötzlich positive Tests ... Später dann wieder gute Ergebnisse", schrieb Maliszewska in ihrem Post. "Ich verstehe sie auch nicht. Ich glaube an nichts mehr. An keine Tests. An keine Spiele. Für mich ist das ein großer Witz."

Nudeln, verkohltes Fleisch, orangefarbene Soße

Auch die US-Bobpilotin und Medaillenfavoritin Elana Meyers Taylor wurde nach ihrer Ankunft in Peking positiv getestet und musste ins Quarantänehotel, das sie erst am vergangenen Wochenende wieder verlassen durfte. Sie habe alles getan, was sie konnte, um sich in ihrem winzigen Zimmer auf die ersten Monobob-Läufe am 13. Februar vorzubereiten, erzählte die 37-Jährige "USA Today". Sie habe Kniebeugen gemacht, Gewichte gehoben und sei von einem Ende des Raumes zum anderen gesprintet, um den Start eines Rennens zu simulieren.

Die russische Biathletin Valeria Vasnetsova schilderte in der vergangenen Woche via Instagram ihren angeschlagenen Zustand und beklagte sich bitterlich über das Essen, das sie in ihrer Quarantäneeinrichtung erhielt. "Ich bin sehr blass und habe große schwarze Kreise um meine Augen. Ich will, dass das alles aufhört. Ich weine jeden Tag", schrieb die 24-Jährige.

Vasnetsova postete ein Bild von einer Mahlzeit aus einfachen Nudeln, verkohltem Fleisch, einer orangefarbenen Soße und offensichtlich keinem Gemüse. "Ich esse das jetzt seit fünf Tagen zum Frühstück, Mittag- und Abendessen. Ich habe viel Gewicht verloren, und meine Knochen ragen schon heraus. Ich kann nichts anderes essen, ich weiß nichts über meine Coronatests", berichtete sie in ihrem Posting, das inzwischen gelöscht wurde. "Ich schlafe nur den ganzen Tag, weil ich nicht einmal die Kraft habe, aus dem Bett zu kommen. Ich esse nur drei Handvoll Nudeln am Tag, weil es einfach unmöglich ist, den Rest der Nahrung zu essen."

Der Trainer der finnischen Eishockey-Nationalmannschaft beschuldigte am Sonntag die Organisatoren der Spiele in Peking, die Menschenrechte seines Spielers Marko Anttila nicht zu respektieren. Anttila bekomme "kein gutes Essen" und leide unter psychischem Stress, weil er isoliert sei, beschwerte sich Jukka Jalonena der Nachrichtenagentur Reuters zufolge. Der 36-Jährige sei bei seiner Landung in Peking positiv getestet worden und seit zwei Wochen in seinem Zimmer eingeschlossen.

Anttila war nach Angaben von Reuters 18 Tage vor seiner Abreise nach China positiv und kurz vor seiner Abreise mehrfach negativ auf das Coronavirus getestet worden. Aber die empfindlicheren Tests der chinesischen Gesundheitsbehörden hätten positive Ergebnisse erbracht. "Wir wissen, dass er völlig gesund ist und bereit ist loszulegen, und deshalb denken wir, dass China aus irgendeinem Grund seine Menschenrechte nicht respektiert", sagte Jalonena.

Pekinger Organisatoren von Olympia 2022 reagieren

Das Internationale Olympische Komitee reagierte am Montag auf die Kritik: IOC-Sportdirektor Kit McConnell teilte in einer Pressekonferenz mit, dass das Komitee über ein "Unterstützungsnetzwerk verfügt, um die Sorgen der Athleten sowohl individuell als auch kollektiv zu behandeln". Es würden Schritte unternommen, um "individuelle Umstände, die immer noch herausfordernd sind", anzugehen, und das IOC habe Gespräche mit Athleten geführt, die mit den Quarantänebedingungen nicht zufrieden seien.

McConnell stellte jedoch auch klar, dass nicht das IOC sondern das Organisationskomitee für die Olympischen Spiele in Peking "für den Dialog mit den Hotels" zuständig sei, in denen die Athleten und andere Teilnehmer der Spiele untergebracht sind. "Wir sind dabei, diese Probleme anzugehen", erklärte Shu'an Yang, Vizepräsident des Pekinger Organisationskomitees, der bei der Pressekonferenz neben McConnell saß.

Einer, der das bestätigen kann, ist Eric Frenzel: Der Nordische Kombinierer aus dem DOSB-Team war ebenfalls nach seiner Ankunft in China positiv auf das Coronavirus getestet worden und musste sich in eine Quarantäneeinrichtung begeben. Dort hatten zunächst fragwürdige Bedingungen geherrscht. "Das war schon ein recht großer Schock, als ich hier angekommen bin", berichtete der 33-Jährige. "Das war nicht das erwartete Hotel. Die Tapeten kamen leicht von den Wänden. Das war schon sehr ernüchternd."

Mittlerweile habe sich seine Situation aber deutlich gebessert, erklärte Frenzel am Montag im ZDF. "Mental geht es sehr, sehr bergauf. Mir werden alle Wünsche erfüllt, von dem her kann ich mich nicht beschweren."

Die angebotene psychologische Hilfe habe er bislang noch nicht in Anspruch nehmen müssen, stattdessen hätten ihm zahlreiche Nachrichten von Familie, Freunden und Fans geholfen, sagte der Olympiasieger von 2014 und 2018 der Nachrichtenagentur DPA. "Mir geht es gesundheitlich sehr gut, soweit ich das in meinem Bereich einschätzen kann. Ich öffne regelmäßig mein Fenster, um ein bisschen normalen Sauerstoff erleben zu können."

Nach seinem Ausfall für das erste Einzel stehen nächste Woche Dienstag und Donnerstag zwei weitere Olympia-Entscheidungen auf Frenzels Programm. Auf die Frage, bis wann er für einen Start spätestens negativ sein müsste, antwortete der Sportler: "Zwei Tage vor dem Wettkampf, damit ich wenigstens nochmal ein Training machen kann." Derzeit halte er sich in seinem Zimmer fit, indem er unter anderem hin und her jogge.

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