Im Katastrophenfall: Werden auch Tiere gerettet?

21.07.2021 11:40

Überflutete Felder, Straßen und Häuser, aber auch zahlreiche Tiere sind von der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands betroffen. Doch wann und wie werden die Vierbeiner im Katastrophenfall gerettet?

Das Telefon klingelt. Ein weiterer Notruf, der bei der Tierrettung Essen eingeht, um Vierbeiner aus den Hochwassergebieten zu retten. Ihr Leiter Stephan Witte und sein Team rücken aus, um den tierischen Opfern der Flutkatastrophe zu helfen. Ihr nächster Einsatz: Eine schwerkranke Katze, die von ihren Besitzern in Ahrweiler vor dem Tod in den Fluten gerettet werden konnte, braucht dringend ihre Medikamente, spezielles Futter und ein neues Inhalationsgerät. Ihr altes wurde durch die Fluten mitgerissen. In Katastrophenfällen sind die Retterinnen und Retter des spendenfinanzierten Vereins aus dem Ruhrgebiet in ganz Deutschland im Einsatz, um Hunde, Katzen, Vögel, Kühe, Pferde oder auch Rehe zu retten.

In Trier rückte die Feuerwehr in der Nacht zu Freitag zu einer besonderen Evakuierungsaktion aus, um mehr als 60 Haustiere aus dem überschwemmten Stadtteil Ehrang in Sicherheit zu bringen. Ihre Besitzerinnen und Besitzer, die am Donnerstag wegen der Flut schnell ihre Häuser verlassen mussten, hätten um ihre zurückgelassenen Haustiere gebangt, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Feuerwehrleute hätten eine Liste erstellt und seien dann mit Gummistiefeln in die entsprechenden Häuser gegangen, um die Tiere zu holen, sagte der Sprecher der Stadt. Teils sei auch ein Radlader eingesetzt worden.

Keine bundeseinheitlichen Regeln für Tierrettung der Feuerwehr

Doch für solche Rettungseinsätze der Feuerwehr gibt es keine bundesweiten Leitlinien. Die Bundesländer können in ihren Landesfeuerwehr- oder Brandschutzgesetzen die Vorgaben zur Tierrettung bestimmen – das gilt für die Rettung im Alltag und im Katastrophenfall.

"Wie und ob Tiere im Katastrophenfall gerettet werden können, ist eine individuelle Entscheidung der Einsatzkräfte vor Ort", erklärt Christoph Schöneborn, Landesgeschäftsführer beim Verband der Feuerwehren NRW. Ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung, ob ein Tier gerettet werde oder nicht, sei die Frage, ob der Einsatz für Feuerwehrfrauen und Männer eine zu große Gefahr darstelle.

"Die Menschenrettung hat Vorrang, doch die Tierrettung gehört zu den verfassungsrechtlichen Aufgaben der Feuerwehr." Ob Haus- oder Nutztier – die Feuerwehren koordinieren und führen die Rettungen der Vierbeiner auch im Katastrophenfall durch, sagt Schöneborn.

Die Tierrettung Essen arbeite bei Einsätzen in den derzeitigen Hochwassergebieten mit den Feuerwehen vor Ort zusammen und melde sich bei den Leitstellen an, berichtet Stephan Witte. Die Essener Helferinnen und Helfer sind mit spezieller Ausrüstung zur Wasserrettung wie Booten, Trockenanzügen und Bergeboards ausgestattet. In der aktuellen Flutkatastrophe war die Tierrettung bisher bei drei Einsätzen.

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag konnten sie zwei Ponys im Kreis Düren vor dem Ertrinken retten. Bei der Hochwasserkatastrophe im Jahr 2013 hatte die Essener Tierrettung 1600 Vierbeiner in Sachsen-Anhalt vor dem Tod in den Fluten retten können.

Hilfe für Tiere in der Not

"Besorgte Tierbesitzerinnen und Besitzer in den Hochwassergebieten können sich bei uns melden, wenn sie zum Beispiel wissen, dass ihr Tier im überfluteten Haus eingeschlossen ist und Hilfe benötigt", sagt Stephan Witte. Parallel sollte immer auch die Feuerwehr alarmiert werden.

Nicht nur Haus- und Nutztiere, sondern auch Wildtiere dürften von den Fluten nicht verschont geblieben sein, befürchtet der Tierschutzbund. Betroffen sind neben Kleintieren wie Kaninchen, Hasen und Jungvögeln auch größere Arten wie Rehe.

"Spaziergänger und Hundebesitzer sollten sich nach Möglichkeit vom Wasser und den Ufern fernhalten, weil die Versteckmöglichkeiten dort für die Wildtiere kleiner geworden oder gar nicht mehr existent sind. Das kann dazu führen, dass Rehe oder andere Wildtiere panisch ins Wasser flüchten und je nach Strömung und Umgebung letztlich ertrinken, obwohl sie eigentlich gut schwimmen können", rät der Tierschutzbund

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