Kevin Alter nach 3 drogenfreien Jahren nicht wiederzuerkennen

29.10.2020 09:53

Wenn andere Kinder langsam flügge werden, spendieren ihnen die Eltern den Führerschein oder vielleicht ein neues Sofa für die ersten eigenen vier Wände. Kevin Alters Eltern hingegen sparten auf das Begräbnis ihres Sohnes. Denn der junge US-Amerikaner balancierte seit dem Jugendalter auf dem schmalen Grat zwischen Leben und Tod. 

„Ich habe meine gesamten 20er an eine Spritze und ein Päckchen Heroin verloren“, sagt der heute 31-Jährige. Seit über 3 Jahren ist Kevin nun clean. Doch bis dahin war es ein weiter Weg. 

Es beginnt alles während seiner Schulzeit auf Long Island im Bundesstaat New York. Kevin ist 16 Jahre alt, als er und seine Freunde zum ersten Mal Kokain probieren. Aber es bleibt nicht bei einem Mal – der Teenager kann nicht mehr aufhören.

Schon bald bestiehlt er seine Klassenkameraden, um das Geld für den Stoff zusammenzubekommen. Seinen Eltern bleibt seine Sucht nicht verborgen und so schicken sie ihn noch als Schüler zu seinem ersten Entzug in eine Klinik. Es soll der erste von insgesamt 29 sein.

Kaum entlassen, wird wieder rückfällig. „Ich versuchte es so gut wie möglich vor meiner Familie zu verbergen“, erzählt der junge Mann. „Man wird besser darin, je länger man süchtig ist.“ Es dauert nicht lange, bis man ihm eine neue Droge anbietet: Heroin. „Ich spürte einen kleinen Stich im Arm; danach sollte mein Leben nie wieder dasselbe sein“, erinnert sich Kevin. „Ich wollte es wieder und wieder und nichts anderes zählte mehr.“

Die Droge sollte die nächsten 10 Jahre von Kevins Leben bestimmen: „Es waren 10 Jahre voller Verhaftungen, Gefängnisaufenthalte, Entzugskliniken, Fahrten im Rettungswagen, Messerstechereien und Obdachlosigkeit. Jahre voller gebrochener Versprechen, verpasster Möglichkeiten und Scheitern. Alles in meinem Leben war zerstört: Familie, Beziehungen, Karriere sowie jegliches Selbstwertgefühl.“

Mit 27 Jahren lebt er unter einer Treppe und fragt sich, warum er überhaupt noch lebt. Da meldet sich ein alter Freund und kann ihn überzeugen, ein weiteres Mal einen Entzug zu probieren. Beim nunmehr 29. Versuch ist jedoch etwas anders. Eine Therapeutin sagt etwas zu Kevin, das sich tief in seinem Kopf einbrennt: „Du nimmst Drogen, weil du dich selbst hasst.“

„Es war, als hätte jemand nach 10 Jahren Dunkelheit das Licht angeknipst“, erinnert sich der mittlerweile 31-Jährige. „Um clean zu werden, musste ich lernen, mich selbst zu lieben. Und nach 10 Jahren Drogensucht hatte ich ganz vergessen, was Liebe ist.“

Seine Sucht zu überwinden und sich wieder ins Leben zurückzukämpfen, war die wohl bisher schwierigste Aufgabe in Kevins Leben. Aber er hat sie gemeistert: Seit über 3 Jahren lebt der US-Amerikaner drogenfrei. Und kämpft weiterhin jeden Tag, damit dies auch so bleibt. 

Aber nicht nur das: Kevin fährt durch das ganze Land und hält Reden an Schulen, um Präventionsarbeit zu leisten und andere vor seinem Schicksal zu bewahren. Er hat zudem einen Blog namens „The Addict's Diary“ (auf Deutsch: „Tagebuch eines Süchtigen“) ins Leben gerufen. Darin erzählen er und andere ehemalige Drogensüchtige ihre Geschichte und von ihrem Weg aus der Abhängigkeit. 

„Ich möchte den Menschen zeigen, wer wir wirklich sind“, erklärt Kevin. „Das Gute, das Schlechte, das Hässliche. Ich möchte das Stigma brechen, Leute inspirieren, aufklären – und Leben retten.“

Kevin Alter ist heute kaum mehr wiederzuerkennen: Mit dem verzweifelten, abgemagerten Mann von einst, dessen Lebenssinn sich nur um den nächsten Schuss drehte, hat er nichts mehr gemein. Wie viel Kraftaufwand und Willensstärke der US-Amerikaner für diese Wandlung aufbringen musste, vermag man sich kaum vorzustellen.

Doch auch wenn er sein altes Leben hinter sich gelassen hat, teilt er offen all seine durchlebten Schmerzen, Erfahrungen und Verluste, um anderen zu helfen oder gar dieses Leid zu ersparen. 

Wer Hilfe für sich oder Familienangehörige und Freunde sucht, kann sich rund um die Uhr an die bundesweite Sucht- und Drogenhotline wenden. 

Quelle