Moringa Olifeira: Wie gesund ist der „Wunderbaum“ wirklich?

04.06.2019 08:48

Manche bezeichnen Moringa als gesündeste Pflanze der Welt. Der Baum soll andere Gewächse weit in den Schatten stellen, wenn es um den Wert für die Gesundheit geht. Aber wird der Moringa-Baum seinem Ruf als „Superfood“ wirklich gerecht?

Der Moringa-Baum stammt aus der Himalaya-Region in Nordwestindien, wo er seit Jahrhunderten als Heilpflanze gilt. Sein Stamm ist knorrig und dick, die Früchte sehen aus wie lange, braune Bohnen und hängen von den Ästen herab. Die grünen Blätter sind oval und etwa 1 bis 2 Zentimeter groß. Mittlerweile wächst der Baum auch in Afrika, Südeuropa oder Südamerika – also überall dort, wo es warm ist.

Hierzulande wird Moringa Olifeira auch „Meerrettich-Baum“ genannt, weil seine Wurzeln scharf wie Meerrettich schmecken. Die Blätter sind milder und ähneln geschmacklich grünem Blattgemüse oder Brennnesseln.

Fast alle Teile des Baumes sind verwertbar. Das macht ihn für arme Regionen sehr kostbar und hat ihm den Beinamen „Wunderbaum“ eingebracht. Besonders seineBlätter sollen viele Vitamine, Mineralstoffe und andere gesunde Substanzen enthalten. Meist werden die Blätter in getrockneter Form verkauft, entweder als Tee oder zu Pulver gemahlen. Es gibt aber auch Kapseln und Öl mit Moringa-Extrakt zu kaufen.

Das steckt im Moringa-Baum

Die Blätter des Moringa-Baums enthalten besonders viel Vitamin E, das unsere Zellen schützt und unser Immunsystem stärkt. In zehn Gramm (entspricht etwa zwei Esslöffeln Tee oder Pulver) stecken rund sechs bis 11 Milligramm, was der empfohlenen Tagesdosis von zwölf bis 15 Milligramm schon sehr nahe kommt.

Ebenfalls sehr hoch ist der Gehalt an Vitamin K, das wir für die Blutgerinnung und den Knochenaufbau brauchen. Zehn Gramm enthalten bereits etwa 50 Milligramm und decken damit fast den Tagesbedarf von 60 bis 70 Milligramm.

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Weitere Inhaltsstoffe:

  • Vitamin A: stärkt die Sehkraft und das Immunsystem
  • Vitamin B1 (Thiamin): für das Nervensystem und die Muskeln
  • Vitamin B2 (Riboflavin): sorgt für einen effektiven Stoffwechsel
  • Vitamin B3 (Niacin): fördert die Verdauung und Hormonbildung
  • Aminosäuren: für einen gesunden Stoffwechsel und zur Zellbildung und -erneuerung
  • Eisen: für die Sauerstoff-Versorgung der Zellen
  • Kalzium: für den Stoffwechsel und Knochenaufbau

Außerdem enthält Moringa Olifeira noch Magnesium, Zink, Selen, Omega-3-Fettsäuren und Vitamin C.

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Sekundäre Pflanzenstoffe

Neben Vitaminen und Mineralstoffen enthält der Moringa-Baum viele sekundäre Pflanzenstoffe wie etwa Kaempferol und Moringin. Diese Stoffe stärken das Immunsystem der Pflanze, die dadurch Krankheitserreger besser abwehren kann. Zudem wirken sie antioxidativ. Das heißt, sie schützen die pflanzlichen Zellen vor schädlichen Umwelteinflüssen und freien Radikalen.

Außerdem steckt das Pflanzenhormon Zeatin in hoher Menge im Moringa-Baum. Es sorgt für den schnellen Wachstum des Baums und schützt zugleich seine Zellen.

Auch bei Tieren und Menschen haben diese Pflanzenstoffe angeblich eine positive Wirkung. Studien bei Nagetieren haben gezeigt, dass die sekundären Pflanzenstoffe des Moringa-Baums Entzündungen bekämpfen, den Blutdruck senken und das Risiko für Krebs, Herz-Kreislauf-Probleme und Diabetes verringern. Ebenso soll das Immunsystem von den pflanzlichen Wirkstoffen profitieren und damit Erreger besser abwehren können.

Ob und wie das alles auch bei uns Menschen wirkt, konnte die Wissenschaft aber noch nicht ausreichend nachweisen.

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Werbefalle „Superfood“

Viele Anbieter bewerben Moringatee oder -pulver als „Superfood“. Moringa Olifeira soll uns nicht nur mit Nährstoffen versorgen, sondern auch vor diversen Krankheiten schützen. Als Beleg wird dabei der „ORAC“ (Oxygen Radical Absorbance Capacity)-Wert genannt. Dieser gibt an, wie stark die antioxidative, zellschützende Wirkung eines Lebensmittels ist.

Das Problem dabei: Die Messung erfolgt im Reagenzglas. Die Pflanzenstoffe treffen auf künstlich erzeugte freie Radikale und es wird festgehalten, wie gut sie diese neutralisieren. Am Menschen selbst erfolgen keine Tests, sodass der ORAC-Wert über den tatsächlichen gesundheitlichen Nutzen nicht viel aussagt.

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Ein weiterer Werbetrick: Die Inhaltsstoffe des Moringa-Baumes werden pro 100 Gramm angegeben, obwohl die tägliche empfohlene Verzehrmenge bei rund 10 Gramm liegt. Trotzdem wird damit geworben, dass 100 Gramm beispielsweise ein Drittel des täglichen Kalziumbedarfs decken. Umgerechnet in die empfohlenen zehn Gramm sind es tatsächlich aber nur rund drei Prozent.

Der Normalverbraucher nimmt also weit weniger Vitamine und Mineralstoffe zu sich, als auf der Verpackung angepriesen wird. Wer dennoch seinen täglichen Bedarf an Vitalstoffen nur über Moringa-Produkte decken will, merkt schnell: Das geht ins Geld, denn: 100 Gramm Moringa-Pulver kosten umgerechnet schon drei Euro und mehr.

Schon gewusst? “Entwicklungshelfer” statt “Superfood”

Während er in Europa als exklusives “Superfood” beworben wird, ist der Moringa-Baum in Afrika eine wichtige Pflanze im alltäglichen Leben. Viele Menschen nutzen ihn als Wasser-Aufbereiter. Seine Samen können zerrieben ganz einfach und billig Wasser trinkbar machen. Sie binden Schwebstoffe im verschmutzten Wasser und machen Bakterien unschädlich.

Weil der Baum sehr schnell wächst und widerstandsfähig ist, pflanzen ihn viele afrikanische Bauern an. Er versorgt die Bevölkerung mit wichtigen Nährstoffen und kann dadurch gegen Mangel- und Unternährung helfen. Die hohe Nachfrage aus Europa kann laut Wirtschaftsexperten außerdem für wirtschaftliches Wachstum sorgen, wenn die Pflanze zu fairen Preisen abgekauft wird. Das kann letztlich den Lebensstandard in armen Regionen verbessern.

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Fazit: Moringa kaufen – Ja oder Nein?

Der Moringa-Baum enthält tatsächlich viele gesunde Vitamine und Mineralstoffe. Besonders sein Vitamin-E- und Vitamin-K-Gehalt ist sehr hoch. Allerdings versorgen uns auch andere Lebensmittel ausreichend mit diesen Vitaminen. Moringa-Pulver und Co. sind vor allem eines: sehr teuer.

Auch frisches, regionales Obst und Gemüse enthält diese wichtigen Stoffe und ist um einiges billiger. Eine ausgewogene Ernährung ist in Europa daher auch ohne Moringa-Baum möglich. Moringa-Produkte sollten eher genutzt werden, um eine gesunde Ernährung zu ergänzen.

Tipp: Achten Sie beim Kauf auf die Herkunft und auf ein Bio-Siegel. So ist so gut wie sicher, dass das Produkt keine Pestizid-Rückstände enthält.

Quelle