Nein, Annalena Baerbock trägt keine Cartier zum schlappen Preis von 38.700 Euro – und selbst wenn

19.01.2024 10:48

Außenministerin Annalena Baerbock ist immer wieder das erklärte Ziel rechter Schwurbelkreise. Egal, was sie tut, es ist falsch. Peinlicher als ohnehin wird es aber, wenn der Vorwurf, Baerbock trage eine Luxus-Uhr für beinahe 40.000 Euro, mit nur einem Blick als billige Hetze enttarnt werden kann.

Politiker und ihre Uhren stehen immer wieder in der Kritik. Ob Sawsan Chebli und ihre Rolex Datejust oder Christian Lindner und sein IWC Portugieser Chronograph – taucht am Handgelenk einer Politikerin oder eines Politikers eine vergleichsweise teure Uhr auf, ist der Aufschrei groß. Das bekommt auch Außenministerin Annalena Baerbock zu spüren – denn da funkelt doch auch was! Aber: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

Zunächst ein Faktencheck: Auf X, vormals Twitter, geht derzeit das Posting eines Mannes namens Daniel Gugger viral. Er beglückwünschte Baerbock zu "dieser tollen Uhr", die sie auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos – eigentlich aber immer – trägt.

Teure Uhr – das muss ein Waffendeal gewesen sein!

Weiter schreibt er: "Ein echter Schnapper Google zeigt mir an, es ist eine Santos de Cartier zum schlappen Preis von 38.700 EUR." Er wittert die Verschwörung und den Quell des Geldes. Und schlussfolgert: "Von Trampolinspringen kann man sich sowas nicht erlauben, aber so ein kleiner Waffendeal mit den Saudis spült sicher einiges Geld in die Kasse."

An diesem Tweet ist so viel falsch, dass man sich wundern muss, welche Reichweite er bereits aufweisen kann. Rund 241.522 Einblendungen, 1547 Antworten, 921 Reposts und 2704 Likes werden aktuell (18.1., 9 Uhr) angezeigt. 

Was die Cartier betrifft: Bei Baerbocks Uhr handelt es sich nicht um eine Santos de Cartier, sondern seit eh und je um eine Casio LA680WEGA. Das ist spätestens seit September 2023 bekannt, denn damals fragte sich jemand explizit, welche Casio Annalena Baerbock auf ihren Reisen trägt, und es antwortete ihr Ehemann Daniel Holeflei

Die LA680WEGA kostet 59,90 Euro und ist eine klassische Digitaluhr des japanischen Herstellers, die seit Ewigkeiten zum Sortiment gehört. Es braucht kein geschultes Auge, um die Uhr der Außenministerin zu identifizieren. Und wenn man, wie Gugger, ohnehin Google bemüht, hätte eine ordentliche Recherche auch nichts anderes ergeben.

Es brauchte dennoch rund einen Tag, bis bei X eine sogenannte "Community Note" hinzugefügt wurde, die Guggers Beitrag als Falschinformation entlarvt. 

Dürfen Politiker keine Luxus-Uhren tragen?

Nun die Sache mit teuren Uhren und Politikern: Nehmen wir mal an, dass die ursprünglich genannte Uhr zutreffend wäre. Was dann? Einerseits könnte es sich Annalena Baerbock, wie auch alle anderen Bundesminister, nach wenigen Monaten des Sparens selbstverständlich leisten, eine Uhr im Wert von 40.000 Euro zu erwerben. Das wäre vielleicht sogar für das Image, welches man als Außenministerin auf Reisen abgibt, in manchen Fällen gar nicht so verkehrt – sofern man das Bild einer wohlhabenden Industrienation abgeben will.

Andererseits haben es Politiker im eigenen Land sehr schwer, den durch ihre recht hohen Gehälter erwirtschafteten Reichtum ausleben zu können. Man erinnere sich an die Villa von Jens Spahn, die Hochzeit von Christian Lindner oder die Privatflüge von Friedrich Merz. Ein volksnahes Image baut man sich damit nicht auf. Im Gegenteil.

Es ist daher, besonders bei deutschen Politikern, immer noch eine Seltenheit, Luxusgüter, etwa teure Uhren, zur Schau zu stellen. Angela Merkel trug immer eine Boccia Titanium für etwa 100 Euro, Frank-Walter Steinmeier sieht man oft mit einer Nomos Tangente, die zu dem Zeitpunkt, als er sie von seiner Frau erhielt, noch für unter 1000 Euro zu haben war, und Ilse Aigner trägt beispielsweise eine Fortis für etwa 800 Euro.

Generell gehören deutsche Politiker, mit wenigen Ausnahmen, also zu den äußerst bescheidenen Volksvertretern. Bei Herrschern und Präsidenten anderer Länder sieht man nicht selten Uhren im sechsstelligen Bereich am Handgelenk.

Eine Cartier, auch wenn Annalena Baerbock damit sicherlich auffallen würde, wäre also noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Aber, das sollte nun klar sein: Es ist eine günstige Casio. Das wird wohl, solange die Außenministerin die Werte und das Image ihrer Partei vertritt, auch so bleiben.

sch, in dem er das Modell öffentlich nannte.

Quelle