Rimini ist zurück! Und wir haben die besten Urlaubstipps

18.03.2019 17:43

Auf Rimini ist Verlass

Auf manches im Leben ist eben doch Verlass. Flirtende Italiener zum Beispiel. Das Exemplar mit dem weißen Sonnenkäppi, das mir an der Strandpromenade von Rimini entgegenradelt, hat sein charmantestes Lächeln aufgesetzt, deutet eine Verbeugung an und gurrt ein routiniertes "Guten Tag, Signorina. Wie geht es Ihnen?" Augenzwinkern, fehlerloses Deutsch, im Hintergrund flattern bunte Sonnenschirme. Ich grüße erfreut zurück.

Der rüstige Herr dürfte die 70 längst überschritten haben. Aber gelernt ist gelernt. Und in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, als der "Teutonengrill" noch auf höchster Flamme loderte, gehörten nicht nur die deutschen Fräuleins zum Inventar, sondern eben auch die schmachtenden Papagalli, die sich zu ihnen aufs Badetuch gesellten. Und wer will schon von lieben Gewohnheiten lassen, nur weil das Pensionsalter erreicht ist? Oder weil die Badestadt Rimini gerade dabei ist, eine ganz andere zu werden, wie zurzeit überall behauptet wird?

Vorurteile über Bord! Hier ist allerfeinstes Italien: Jasmin-Duft statt Sonnenöl, Renaissance-Fassaden statt Teutonengrill

Über 50 Jahre lang galt dieser Ort an der italienischen Adria als Inbegriff des organisierten Massensommertourismus: 15 Kilometer breiter Sandstrand, 240 Strandbäder und 200 000 mit dem Lineal ausgerichtete Liegestühle, dahinter drei bis vier Reihen Hotels und Pensionen. Brutzeln am Strand, Vollpension, man spricht Deutsch, und geht abends in die Glitzer-Disco - das war Rimini. Eine Stadt, über die man als Liebhaber des wahren Italiens die Nase rümpfen durfte, ohne jemals dort gewesen zu sein.

Diese Arroganz ist mir jetzt peinlich, seit ich bei meiner Anreise, noch aus dem Auto heraus, einen perfekt erhaltenen römischen Ehrenbogen aus Marmor zu sehen bekam. Der Bogen ist 2000 Jahre alt, gehört zur Stadtmauer und führt in eine Altstadt, die sich anfühlt wie allerschönstes Italien. Und es ist tatsächlich alles da: schmale Gassen, in denen sich kleine Boutiquen mit altmodischen Posamenten-Lädchen abwechseln und in denen Italienerinnen, das Handy ans Ohr gedrückt, souverän über buckliges Kopfsteinpflaster stöckeln.

Mit dem Rad kurve ich an römischen Ausgrabungen vorbei, an der steinernen Pracht mittelalterlicher Palazzi und an eleganten Renaissance-Fassaden. Es gibt verschwiegene Plätze mit Schirmpinien, meinen Lieblingsbäumen, und alten Herren, die in ihrem Schatten friedlich eingenickt sind. Schwalben katapultieren sich zwitschernd durch die Luft. Und als ich glaube, es könne gar nicht schöner werden, holpere ich über eine uralte Steinbrücke ins Viertel Borgo San Giuliano hinüber, ein ehemaliges Fischerdorf, vor dessen bunt gestrichenen Häuschen Jasmin duftet und wo sogar die Wäsche so hinreißend flattert, als hätte sie ein Filmaustatter dort aufgehängt.

Rimini hat zwei Gesichter: Altstadt und Badestadt - der Bürgermeister will sie zusammenbringen

Auf der Terrasse des "Nud e Crud" haben sich bereits ein paar schicke italie­nische Sonnenbrillenträger zum Mittag­essen niedergelassen und beißen in ihre Piadina. Die klassischen adriatischen Teigfladen sind hier so üppig gefüllt, dass man sie mit beiden Händen festhalten muss, damit der weiche Squacque­rone-­Käse und die dicken Salsiccia-Stücke nicht herausrutschen. Der lieb­liche Lambrusco wird in beschlagenen Gläsern serviert, und im ersten Stock lehnt eine rauchende Frau mit Küchen­schürze neugierig aus dem Fenster. Es riecht nach Rosmarinkartoffeln und kein bisschen nach Sonnenöl.

Riminis centro storico - vom Strandgetümmel nur einen Kilometer Luftlinie entfernt - ist eine Welt für sich. Man könnte fast sagen, es gibt zwei Rimini: Altstadt und Bade­stadt. Und die will Andrea Gnassi zusammenbringen. Der jungenhafte Typ mit dem ange­deuteten Kinnbart ist seit 2011 Bürgermeister von Rimini, trägt kobalt­blaue Ringelsocken zum offenen Hemd und hat nicht viel Zeit. "Wir wollen mit der Trennung zwischen Hochkultur und Badeleben aufräumen", ruft er mir zu, als wir uns vor dem Rathaus treffen. Dann drückt er mir einen gelben Helm auf den Kopf und sprintet die Freitreppe zum "Teatro A. Galli" hoch. Das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Theater wurde unter Gnassis Ägide endlich wieder aufgebaut.

50 Jahre lang herrschte in Rimini Stillstand - das ist nun vorbei

Zwischen dem Theater und dem Renaissance-Schloss dahinter wird eine grüne Freifläche entstehen, für Open­-Air-­Konzerte und andere lässige Events. Das Cinema Fulgor gleich um die Ecke, in dem einst ein Gymnasiast namens Federico Fellini die Karten abriss, wurde saniert und gerade wiedereröffnet - dem berühmten Regisseur und Sohn der Stadt zu Ehren. Die römische Brücke über den Marecchia soll für den Verkehr gesperrt werden. Und das Ufer des Flusses, so der Plan, wird mit Hilfe von Wegen und Terrassen zu einem neuen Treffpunkt für Einheimische und Gäste werden. Ein ehrgeiziges Programm; tatsächlich hinkt Gnassi dem Zeitplan jedoch hinterher. "Tiè botta!", ruft ihm ein Punk hinterher, als er die Theatertreppe wieder herunterjagt, "Halte durch" auf romagno­lisch. Der Politiker der linken Partito Democratico, der Demokratischen Partei, winkt zurück. "50 Jahre lang hat in Rimini Stillstand geherrscht", resümiert er. "Das hier ist unsere Renaissance. Das Gute ist, wir müssen nichts erfinden. Es reicht, wenn wir unsere Wurzeln neu beleben. Auch am Strand."

Wie Kalifornien am Mittelmeer: So soll das neue Rimini aussehen

Entlang der Uferpromenade reihen sich allerdings die typischen Hotelschachteln der Adriaküste aneinander wie eh und je. Sie tragen glanzvolle Namen wie "Di­plomat Palace“ und "Bristol". Doch über 1,5 Kilometer wurde der Lungomare (die alte Promenade) neu angelegt und ist mit seinen Pflanzen, Brunnen und Bänken ausschließlich Fußgängern und Fahrradfahrern vorbehalten, Strand und Meer gleich dahinter.

Am liebsten würde ich jetzt schon mal buchen. Das liegt aber auch am Strand. Herr­lich breit ist er und endlos lang. Erst zig Kilometer weiter im Süden, unwirklich verschwommen über einer dünnen Dunstschicht, baut sich ein grünes Vor­gebirge auf, das den Weg zu versperren scheint. Ich laufe los. Glitzerndes Meer zu meiner Linken, Salzluft in den Lungen, knirschende Muschelschalen unter meinen nackten Füßen. Diese unglaubliche Weite, dieser Himmel, diese Freiheit! Ewig könnte ich so weiterwandern. Das Meer hat keine Grenzen, niemand kann es zubauen, ganz gleich, wie Rimini sich in Zukunft entwickeln wird.

Banales Sonnenbaden gehört der Vergangenheit an

"Gibt es etwas Schöneres als aufs Meer zu schauen?", fragt Gabriele Pagliarani vom "Bagno 26", klappt mir in vorderster Reihe einen Liegestuhl auf - elegantes Grau­-Beige unter naturweißem Schirm - und beantwortet die Frage gleich selbst: "Natürlich nicht!" Für alle Fälle ent­wickelt der schwarz gelockte Bagnino (Bademeister), Herr über 15 Mitarbeiter und 1000 Liegen, trotzdem unermüdlich alternative Angebote für Badegäste: Bar, Restaurant und Chiringuito, eine dieser typischen Strandbuden, hier mit DJ­-Set, gibt es längst im Bagno. Für diese Saison hat er sich Grünflächen mit echtem Rasen sowie mit Solarenergie betriebene Bat­terieaufladestationen direkt am Schirm einfallen lassen.

Banales Sonnenbaden gehört in Rimini ohnehin der Vergangenheit an. Wellness ist angesagt. In zahlreichen Strandbädern wird Yoga und Stretching angeboten, Qigong und Pilates, Massagen sowieso. Ich nehme an einem geführten "Nordic Water Walking" teil, bei dem ich mich mit Stockeinsatz knietief durchs Wasser schiebe, verfolgt von den fassungslosen Blicken italienischer Senioren.

Und abends fahre ich auf einer Segelyacht zur Sonnenuntergangs-­Meditation auf das Meer hinaus. Wir sitzen mit geschlosse­nen Augen im Kreis, das Boot schaukelt, für echte Tiefenentspannung ist mir ein bisschen zu schlecht. Doch als ich die Augen wieder öffne, liegt die Hotel­-Silhouette von Rimini vor mir, langgezogen, in rosaroten Abendschimmer getaucht. Vertraut sieht sie aus, und doch völlig fremd, eine Zauberstadt, als hätte sich Atlantis aus dem Meer erhoben. Manchmal gelingen eben auch die gewag­testen Experimente.

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