Sisu: Die gesunde Lebenseinstellung der Finnen

21.03.2023 12:11

Die Finnen sind das glücklichste Volk der Welt. Da fragen wir uns: Was haben die, was wir nicht haben?

Nach den Dänen und Schweden können wir nun auch von den Finnen eine Lebenseinstellung lernen, die zu unserem Wohlbefinden beitragen soll: Sisu.

Vor nicht allzu langer Zeit schwappte aus Dänemark der Hype um Hygge zu uns herüber: der kuschelige Weg, glücklich zu werden und den Moment zu genießen. Es folgte Schweden, das uns mit seinem Lagom ein gesundes Mittelmaß in allen Lebensbereichen beibrachte. Und nun also Finnland.

Eigentlich dachten wir ja immer, der Finne an sich sei eher wortkarg, schwermütig und dem Alkohol zugewandt. Nicht zuletzt weil es dort schrecklich kalt sein soll und obendrein im Winter dauerhaft dunkel. Doch offenbar haben uns die Filme von Aki Kaurismäki und Co. ein völlig falsches Bild vermittelt.

Denn laut dem „World Happiness Report 2018“ haben die Finnen die Norweger vom ersten Platz verdrängt und sind aktuell das glücklichste Volk der Welt. Deutschland landet auf Position 15. Da fragen wir uns natürlich: Was haben die Finnen, was wir nicht haben? Und was hat ihre Lebensphilosophie Sisu damit zu tun?

Anderes Land, andere Sitten und Vorlieben

Das höchste der Gefühle scheint sich bei den Finnen dann einzustellen, wenn sie sich zu Hause in Unterwäsche gemütlich einen Drink genehmigen. Schließlich haben sie dafür einen eigenen Begriff: Kalsarikännit. Aber Spaß beiseite: Warum gilt Finnland als besonders ausgeglichen, zufrieden und glücklich? Folgende Faktoren könnten dazu beigetragen haben.

  • Die Finnen haben großes Vertrauen in ihren Staat. Kein Wunder: Laut Statistik herrscht in ihrer Heimat das niedrigste Armutsrisiko in der EU. Arbeitslose erhalten hier eine gute staatliche Hilfe.
  • Gleichberechtigung: Dass Frauen/Mütter Vollzeit arbeiten, ist in Finnland völlig normal. Und während man hierzulande noch über ein genderneutrales Pronomen diskutiert, ist es in Finnland längst in der Sprache angekommen – „hän“ bedeutet sowohl „er“ als auch „sie“.
  • Natur tut gut, das ist längst bewiesen. Das Waldbaden ist auch hierzulande ein beliebter Trend unter Gesundheitsbewussten. Die Finnen, wie auch die Schweden und Norweger, lieben es, in der Natur zu sein. Davon haben sie schließlich auch jede Menge.
  • Weniger ist mehr: Ähnlich wie die Schweden begnügen sich auch die Finnen mit einem gesunden Mittelmaß. Man kann natürlich teure Kleidung, Autos, etc. besitzen, aber man gibt nicht damit an. Finnisches Design ist in der Regel schlicht, aber hochwertig. Es ist zeitlos, funktional und zweckmäßig. Die Finnen investieren lieber in etwas Teures, das sie dafür lange benutzen können. Ein finnisches Sprichwort lautet: „Die Armen können es sich nicht leisten, etwas Billiges zu kaufen“.
  • Auch auf Nachhaltigkeit achten die Finnen, sei es bei Kleidung oder Spielzeug. Sie kaufen gerne in Second-Hand-Läden und tauschen mit anderen.
  • Sauna: Von über 5 Millionen Einwohnern sollen ca. 3 Millionen Finnen eine eigene Sauna besitzen und auch regelmäßig nutzen. Gut so: Saunieren entspannt, reinigt und härtet das Immunsystem ab.
  • Weiße Nächte im Sommer: Ihr Winter mag hart und dunkel sein, doch um ihre Mittsommernächte dürfte so manch einer die Finnen beneiden. Und die wissen, die 24 Stunden Helligkeit im Sommer zu nutzen. Das Leben findet vor allem im Freien statt und wird so gut wie möglich genossen.

> Sauna oder Dampfbad: Was ist gesünder? 

Sisu: Eine Einstellungssache?

Für das Wort Sisu gibt es kein deutsches Äquivalent, das alle Facetten umfassen würde. In Wörterbüchern erhält man folgende Übersetzungen: Innere Stärke, Ausdauer, Durchhaltevermögen, Eigenständigkeit, Unnachgiebigkeit, Willenskraft und Mut.

Sisu geht also offenbar in Richtung Resilienz: eine Methode und innere Einstellung, die uns hilft, mit Stress und Problemen umzugehen bzw. sie zu bewältigen. Damit ist sowohl der Umgang mit inneren als auch mit äußeren Hindernissen und Schwierigkeiten gemeint. Das kann zum Beispiel große Kälte sein, Krach mit dem Partner oder Unzufriedenheit im Job.

Sisu führt allerdings noch weiter: Es geht nicht nur darum, Widrigkeiten auszuhalten, sondern sich geradezu mit ihnen anzulegen, sie herauszufordern. Und im besten Falle Spaß daran zu haben.

Vielleicht kann man das Prinzip ganz gut mit zwei finnischen Gewohnheiten veranschaulichen: Die Finnen gehen gerne von der dampfigen Sauna direkt in den kalten Schnee. Sie verlassen also ihre Komfortzone. Und auch vom Baden bei vier Grad lassen sich viele nicht abhalten. Der Winter ist nun mal lang und kalt, na und?

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Der Weg zu Sisu und finnischem Glück

Wir können zwar keine weißen Nächte in unsere Gefilde zaubern. Dennoch: Wir können uns von den Finnen einiges abschauen und ihre innere Haltung trainieren. Wichtig ist, dass wir es in kleinen Schritten tun.

  • Lassen Sie sich nicht durch äußere Umstände von Dingen abhalten, die Sie gerne tun würden. Nur weil es kalt ist, aufs Fahrradfahren verzichten zum Beispiel. Das sollten wir auch unseren Kindern schon früh vermitteln und mit ihnen viel nach draußen in die Natur gehen – auch bei Regen.
  • Wer 30 bis 60 Sekunden ein Winterbad bei vier Grad nimmt, stärkt sein Immunsystem und setzt Glückshormone frei. Doch anstatt sofort in den eisigen See zu springen, können Sie ja erst einmal mit täglichen kalten Knieduschen anfangen.
  • Sagen Sie bei Problemen nicht „Das kann ich nicht“, sondern „Ich kann das!“ und fragen Sie sich, was Sie tun müssen, um es zu schaffen. Besinnen Sie sich auf Ihre Fähigkeiten und Stärken.
  • Ein guter körperlicher Zustand hilft uns dabei, Sisu zu erreichen: Es muss kein Sport sein. Integrieren Sie regelmäßige Bewegung in Ihren Alltag. Ein kurzer Spaziergang reicht, um Stress und Verspannungen zu lösen. Fahren Sie statt mit dem Auto mit dem Fahrrad zur Arbeit oder laufen Sie – natürlich auch bei schlechtem Wetter. Dabei können Sie auch Ihre Widerstandsfähigkeit trainieren und sich Herausforderungen stellen.
  • Auch die innere Ausgeglichenheit ist eine Voraussetzung für Sisu: Üben Sie sich in Achtsamkeit, um Stress abzubauen. Nehmen Sie sich regelmäßig Zeit für sich selbst.
  • Probieren Sie Dinge aus, die Sie sonst nie machen würden, weil Sie sie sich nicht zutrauen oder es gegen Ihre Gewohnheit wäre. Lassen Sie Sich von Rückschlägen nicht beirren und versuchen Sie es weiter.
  • Konfrontation: Statt Schwierigkeiten und unangenehmen Dingen aus dem Weg zu gehen, gehen Sie sie an. Sprechen Sie Probleme bei anderen Leuten an, schieben Sie unliebsame Arzttermine nicht auf die lange Bank.
  • Entrümpeln: Befreien Sie sich von unnötigem Ballast. Das tut meistens auch der Seele gut. Achten Sie beim Einkaufen auf Nachhaltigkeit.

Wie so vieles, ist sicher auch Sisu mehr Hype als neue Erkenntnis. Dennoch können Sie in der finnischen Lebensphilosophie vielleicht das ein oder andere finden, dass auch Ihnen gut tun würde.

 

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