Stell dir vor, die Ausgangssperre ist vorbei und niemand geht raus

14.05.2021 11:22

Nach 40 Tagen hat Hamburg die umstrittene Ausgangssperre wieder aufgehoben – am Abend vor Vatertag. Und was machen die Menschen daraus? Ein Rundgang zwischen Alster und Kiez.

So beginnt es also, das Ende: Bei 13 Grad, 85 Prozent Luftfeuchtigkeit und der Aussicht auf einen Feiertag. Eine Frau ruft: "Ey, da drüben auf der anderen Seite stehen ja Menschen! Wie ich das vermisse!" Gegenüber der "Kleinen Pause", einem meist proppevollen Imbiss an der Durchflugschneise zwischen Schanze und Kiez, sitzen drei auf einer Bank, zwei andere auf den Pflastersteinen. Weiter hinten Richtung Spielplatz tummeln sich sogar 20 junge Frauen und Männer, Bässe und eine Wolke würzigen Rauchs wehen herüber. Es ist der erste Abend nach dem Ende der Ausgangssperre, doch Hamburg ist nicht in Rausgehlaune.

40 Tage lang mussten die Hamburger ab 21 Uhr zu Hause sein. Oder da bleiben, wo sie gerade waren. In der Hansestadt begann die Ausgangssperre eine Stunde früher als im Bundes-Infektionsschutzgesetz vorgesehen, aber laut der Regierung hat sich die Einschränkung gelohnt. Die Ansteckungsraten gingen zuletzt deutlich herunter. Innensenator Andy Grote lobte seine Bürgerinnen und Bürger für ihre "große Disziplinleistung". 759 Bußgelder wegen Verstöße gegen die Ausgangssperre hat die Polizei verteilt, laut Grote "sehr wenig für eine Millionenstadt".

Sind die Hamburger besonders vernünftig oder einfach brav?

Möglicherweise sind die Menschen in dieser Stadt einfach besonders vernünftig, vielleicht auch nur brav, ganz sicher aber spielt das Wetter eine Rolle. Denn das war die letzten Wochen mehr als bescheiden. Wer hockt schon gerne bei ein paar Grad im Nieselregen draußen herum? Mittlerweile sind die Temperaturen zwar angestiegen, aber verlockend sind sie weiterhin nicht. Das ist auch außerhalb der klassischen Vergnügungsecken zu merken. Im Innocentiapark, im schicken Harvestehude, wo sich gerne Mal Jugendliche treffen, steht am ersten Ausgehabend gegen kurz nach neun leicht verloren gerade einmal ein kleines Grüppchen um eine Lautsprecherbox und einen Kasten Holsten herum.

Das gleiche Bild ein paar hundert Meter weit entfernt an den Alsterwiesen. Dort mussten vor Kurzem noch Horden von Teenagern von der Polizei vertrieben werden, jetzt joggen dort ein paar Männer und Frauen, ab und an kreuzt ein Pärchen den Weg und nur irgendwo ganz weit hinten unter einem Baum müssen ein paar Feierfreudige sitzen. Alle paar Minuten reißen sie tollkühn ihre tatsächlich sehr laute Anlage auf und beglücken leicht nervöse Alsterschwäne mit Trap-Bässen. 

Poser lassen es am Jungfernstieg röhren

Auffallend laut ist es auch an der Binnenalster: Auf den Straßen sind deutlich mehr Autos unterwegs als in den letzten Tagen. Die Gegend rund um den Jungfernstieg ist bekannt für ihre Poser, die ihre sehr teuren Autos der Öffentlichkeit vorstellen. Und nach Wochen des Schweigens trauen sie sich nun wieder heraus und lassen die halbe City wissen, wie röhrend ein G-Klasse-Mercedes klingen kann. 

Zurück auf St. Pauli. Vor der "Tabakbörse", Hamburgs berüchtigte Corner-Ecke, ist an diesem Mittwoch vor Himmelfahrt niemand auf der Straße, niemand trinkt Bier und niemand steht Taxis und Radfahrern im Weg. Am Vollsten ist es noch vor "Bigi's Shop" auf der Kneipenmeile Schulterblatt. Aber auch hier: Kein Gedränge, nur Freunde, die zu zweit oder zu dritt zusammenstehen, und sich drinnen mal ein neues Getränk holen. 

Partylaune wohl erst bei besserem Wetter

Das Leben tobt offenbar weiter erst mal nur in den Wohnungen. Von vielen Balkonen sind Stimmen zu hören und aus einigen offenen Fenstern schallt Musik auf die Straße. Die meisten scheinen eher Freunde besuchen zu wollen, als dass sich Euphorie und Partylaune Bahn bricht. Aber das muss alles nichts heißen. Sobald das Wetter wieder besser wird, ist es mit der Ruhe ziemlich sicher schnell wieder vorbei.

 

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