Streit um Abtreibungsparagraf 219a: Ärztin scheitert erneut vor Gericht

19.10.2018 11:17

Ärztin Kristina Hänel verliert Gerichtsprozess nach Berufung

Vor einem Jahr wurde Kristina Hänel zu einer Strafe von 6.000 Euro verurteilt. Der Vorwurf an die Allgemeinmedizinerin lautete: Verstoß gegen Abtreibungsparagraf 219a. Diesem Paragraf zufolge darf niemand "Werbung" für Schwangerschaftsabbrüche machen. Gegen dieses Urteil hatte Hänels Anwalt Berufung eingelegt, die am Freitag abgewiesen wurde.

Was bedeutet der Paragraf 219a überhaupt?

Im Detail bedeutet der Paragraf 219a Folgendes: Das öffentliche Anbieten, Anpreisen oder Erklären von Diensten zur Abtreibung ist laut Strafgesetzbuch verboten. Wer zu "seinem Vermögensvorteil" über Mittel oder Verfahrenstechniken informiert, wird bestraft - entweder finanziell oder mit dem Gefängnis. Das gilt auch für Ärzte, wie Kristina Hänel im vergangenen Jahr feststellen musste.

Auf ihrer Webseite stehen unter der Kategorie "Frauengesundheit" verschiedene Leistungen, die Hänel ihren Patientinnen anbietet. Neben "Familienplanung" und "Schwangerschaftsfeststellung" heißt es da auch "Schwangerschaftsabbruch". Klickt man auf das Letzte, kann man Informationsmaterial über Abtreibungen per Formular anfordern. Vorab konnte man das Material herunterladen. Das hatte das Amtsgericht Gießen Ende 2017 als "Werbung" eingestuft.

"Informationsrecht ist ein Menschenrecht"

Seit mehr als zehn Jahren werde Kristina Hänel von "Abtreibungsgegnern" wegen des "Werbens für den Abbruch einer Schwangerschaft (§219a StGB) angezeigt", schreibt die Gießenerin auf "change.org", einer Plattform für Petitionen. Bis zum vergangenen Jahr wurden immer alle Verfahren eingestellt. Dieses Mal hatte ein Staatsanwaltschaft die Ärztin angezeigt.

Daraufhin hat sie eine Petition gestartet mit dem Titel "Informationsrecht für Frauen zum Schwangerschaftsabbruch". Mehr als 150.000 Unterstützer haben unterschrieben. In dem Text zur Petition schreibt Hänel weiter: "Informationsrecht ist ein Menschenrecht. Der §219a behindert dieses Recht." 

6.000 Euro ist eine hohe Geldsumme, die das Landgericht Gießen als Strafmaß am Freitag befürwortet hat. Als die Anklage ins Haus flatterte, hätte Hänel sich beugen und die Information von ihrer Webseite nehmen können. Jetzt ist sie vorbestraft. "Für mich alleine mache ich das nicht. Ich mache das für die Menschen, die betroffen sind", sagte sie zu ihrer Motivation, sich weiterhin vor Gericht zu behaupten. Abtreibung sei ein Thema, von dem jeder Mensch betroffen sein könne.

Proteste vor dem Landgericht Gießen - für Kristina Hänel

Während der Urteilssprechung im Berufungsverfahren haben Dutzende Unterstützer von Kristina Hänel vor dem Landgericht Gießen protestiert. Das ging so weit, dass Aktivistinnen lautstark die Legalisierung von Abtreibungen forderten - und zwar Oberkörperfrei. Näheres zu den Protesten sehen Sie in unserem Video.

Hänels Anwalt hat den Paragrafen 219a für verfassungswidrig bezeichnet. Er und seine Mandantin sollen jetzt in die nächste Instanz gehen - das wäre dann das Oberlandesgericht.

 

 

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