Studien im Skandallabor LPT gefälscht? Kieler und Hamburger Staatsanwaltschaften eingeschaltet

08.11.2019 15:11

Wird die Luft dünn für das LPT-Tierversuchslabor? Nach neuen Tierquälerei- und Manipulationsvorwürfen nehmen immer mehr Behörden das Unternehmen ins Visier und wollen die Versuche verbieten. Auch mehrere Staatsanwaltschaften sind aktiv.

Was nicht passt, wird passend gemacht – diese Devise wird für Labor für Pharmatologie und Toxikologie (LPT) aus Hamburg nun möglicherweise zum Verhängnis. Der Skandal um das Tierversuchslabor weitet sich aus.

Vorwürfen von Tierschützern zufolge haben Mitarbeiter des Instituts nicht nur systematisch Tiere gequält (der stern berichtete), sondern auch Studienverläufe gefälscht – und so möglicherweise auch Menschenleben in Gefahr gebracht. Die Staatsanwaltschaften von drei Bundesländern sind inzwischen eingeschaltet.

Verfälschten LPT-Mitarbeiter Tierversuche?

Bereits im Oktober berichtete der Tierrechtsverein "Soko Tierschutz", dass ein Affe, der während einer Versuchsreihe gestorben war, kurzerhand durch LPT-Mitarbeiter gegen einen anderen ausgetauscht wurde. Der Tod des Tieres sei weder gemeldet noch ordnungsgemäß dokumentiert, die Studie stattdessen einfach mit dem neuem Affen fortgeführt worden. "Soko Tierschutz" hatte nach eigenen Angaben einen Mitarbeiter in das Tierversuchslabor im niedersächsischen Mienenbüttel vor den Toren Hamburgs eingeschleust und verdeckte Videoaufnahmen anfertigen lassen. Sie sollen den Manipulationsvorwurf und gravierende Tierschutzverstöße belegen.

 

Dem ARD-Magazin "Fakt" hat nun eine frühere Mitarbeiterin des Unternehmens anonym einen Manipulationsfall aus einem LPT-Standort in Wankendorf bei Plön (Schleswig-Holstein) geschildert. So seien Ratten in einer Studie mit einer giftigen Substanz "der Reihe nach gleich zu Anfang innerhalb von wenigen Tagen zum Großteil verstorben" – und der Tod der Nager anschließend vertuscht worden: "Um dem Kunden eine entsprechende Nachricht nicht mitteilen zu müssen, wurde die höchste Dosierung durch eine deutlich niedrigere ersetzt. Die Tiere wurden ausgetauscht."

Eine weitere Ex-Mitarbeiterin von LPT gestand im "Fakt"-Interview ein, am Hamburger Standort selbst Ergebnisse von Tierversuchen manipuliert zu haben: "Ich habe Dokumente gefälscht (...). Wenn da Ergebnisse eben nicht den Erwartungen entsprachen, bin ich angehalten worden, das zu verbessern." Auch seien Protokolle bewusst falsch datiert worden, berichtete die anonyme Zeugin.

Wenn die Vorwürfe zutreffen sollten, ist der Skandal für LPT perfekt. Möglicherweise sind die Studienergebnisse wissenschaftlich wertlos und die Auftraggeber damit betrogen worden. Die Hamburger Gesundheitsbehörde hat daher die Staatsanwaltschaft in der Hansestadt eingeschaltet. "Die aktuellen Ereignisse werfen Fragen hinsichtlich der Zuverlässigkeit von LPT auf", erklärte die Gesundheitsbehörde. 

Sechs Anzeigen gegen Verantwortliche in Hamburg

Die Hamburger Staatsanwaltschaft bestätigte dem stern den Eingang von insgesamt sechs Strafanzeigen gegen LPT-Verantwortliche wegen Betruges und Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz und hat mit der Prüfung der Vorwürfe begonnen.

Das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung von Schleswig-Holstein ist für den LPT-Standort bei Plön zuständig. Auch dort hat man den neuesten "Fakt"-Beitrag und die Vorwürfe zur Kenntnis genommen – und auch dort beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft mit dem Fall. Das Ministerium habe die Strafverfolger in Kiel gebeten, wegen der im Raum stehenden Vorwürfe Ermittlungen aufzunehmen, teilte ein Sprecher dem stern mit.

"Hier muss ein Exempel statuiert werden. Es geht ja nicht nur um Tiere, es geht auch um die Sicherheit von Menschen, und da kann so ein Platz wie das LPT eigentlich nicht mehr existieren", sagte "Soko Tierschutz"-Gründer Friedrich Mülln der ARD. E will zudem auch von grausamen Kaninchen-Tötungen bei LPT erfahren haben.

Ärger kommt möglicherweise auch von anderer Seite auf das Unternehmen zu. Das für die Genehmigung von Tierversuchen am LPT-Standort Mienenbüttel zuständige Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) in Niedersachsen hat nach Angaben einer Vertreterin der Behörde ein Verwaltungsverfahren gegen die Firma eingeleitet. Das Ziel: Die insgesamt noch 113 genehmigten oder angezeigten Tierversuchsreihen zu verbieten. Sie hielten offenbar der Plausibilitätsprüfung des Laves nicht stand. Derzeit haben Laborverantwortliche die Möglichkeit, sich zu dem Verfahren zu äußern. Wann es abgeschlossen wird, sei nicht absehbar, so die Sprecherin.

Auch der niedersächsischen Landkreis Harburg, in dessen Bereich sich die Tierversuchsanstalt in Mienenbüttel befindet, kündigte an, die Zügel für das Unternehmen enger anzuziehen und die Kontrollen zu verschärfen. "Das schließt auch eine mögliche Betriebsuntersagung ein, die allerdings die Feststellung der Unzuverlässigkeit des Betreibers voraussetzt", erklärte jüngst Veterinäramtsleiter Thorsten Völker. Die Erkenntnisse aus dem "Fakt"-Beitrag werden "selbstverständlich" in die Bewertung der Zuverlässigkeit einfließen, sollten die Vorwürfe zutreffen, sagte ein Sprecher des Landkreises dem stern. Bei der letzten Kontrolle des Mienenbütteler Tierversuchslabors am 4. November seien keine Verstöße festgestellt worden. Wegen der möglichen Tierquälerei bei LPT ermittelt auch die Staatsanwaltschaft in Stade gegen den Betreiber, der sich den Fragen der Behörden stellen muss.

Manipulationsvorwürfe gab es schon 1982

Das Interesse, die Öffentlichkeit über das Treiben in den Laboren aufzuklären, ist bei LPT offenkundig nur schwach ausgeprägt. Wenn überhaupt äußern sich Vertreter nur schriftlich und schmallippig. Auf eine stern-Anfrage zu den aktuellen Vorwürfen gab es keine Reaktion.

Der "Fakt"-Redaktion habe das Unternehmen mitgeteilt, dass ihm keine Informationen oder Hinweise auf Fälschung bekannt seien. Diese seien aufgrund "des in unserem Hause vorgeschriebenen engmaschigen Kontrollsystems ausgeschlossen", zitierte das Magazin aus einem LPT-Statement.

Ganz neu sind die Vorwürfe der Manipulation von Studien bei LPT übrigens nicht: Der stern berichtete bereits 1982 über fragwürdige Zustände in der Tierversuchsanstalt in Mienenbüttel. Ein Tierpfleger schilderte seinerzeit aus dem Inneren des Labors: "Wenn Hunde bei einer Zwangsfütterung mit Testmitteln starben, wurden sie in Versuchsreihen einfach durch neue Tiere ersetzt, ohne daß dies in den Kontroll-Listen vermerkt wurde."

Die "Soko Tierschutz" will indes ihren öffentlichen Druck gegen LPT aufrecht erhalten. Für den 16. November ist um 14 Uhr eine Großdemonstration unter dem Motto "LPT Schließen, Tierversuche abschaffen!" in Hamburg angekündigt. Der Versammlung haben bei Facebook bereits über 7000 Teilnehmer zugesagt. Bereits vor rund drei Wochen hatten mehrer Tausend Menschen gegen das Labor demonstriert.

Quelle