Tochter von AfD-Politikerin sorgt mit rassistischem Gedicht für Eklat

03.10.2018 11:21

Zu künstlerischer Freiheit gibt es sehr verschiedene Meinungen. Wie unterschiedlich die sind, zeigen gerade die Gedichte von Ida-Marie, Tochter einer AfD-Bundestagsabgeordneten, bei einem Poetry Slam in Speyer. Die 14-Jährige hätte eigentlich gewinnen müssen. Eigentlich.

"Zivilcourage" ist ein großes Thema – besonders in Zeiten, in denen sowohl Übergriffe auf Migranten als auch von Migranten an der Tagesordnung sind. Vergangenen Mittwoch gab es deshalb in der Stadt Speyer einen Poetry Slam zu dem Thema. Organisiert wurde das Event vom Stadtrat und dem Bündnis "Speyer ohne Rassismus – Speyer mit Courage". Die anti-rassistische Marschrichtung der Veranstaltung sollte damit eigentlich klar sein. Doch die Organisatoren haben offenbar nicht mit der 14-jährigen Ida-Marie gerechnet. Die Tochter der AfD-Bundestagsabgeordneten Nicole Höchst nutzte die Gelegenheit und präsentierte zwei Wortbeiträge.

14-Jährige trägt Gedichte mit rassistischen Ressentiments vor

Und die sorgten aus Sicht der Veranstalter gleich für mehrere Probleme: In den zwei von Ida-Marie vorgetragenen Gedichten wimmelt es nur so von fremdenfeindlichen Ressentiments. Im ersten Gedicht (hier könnt ihr das Video sehen) heißt es zum Beispiel: "Multikulti-tralala. Hurra, die ganze Welt ist da" oder "Habt Courage, zeigt Haltung! Seht im Spiegel den Heuchler und liebt euren Nächsten, den Meuchler".

Im zweiten Gedicht (hier könnt ihr das Video sehen) finden sich Aussagen wie "Der Neger ist kein Neger mehr, Zigeuner darf man auch nicht sagen – rassistisch ist das beides sehr, so hört man es an allen Tagen. Wer es trotzdem wagt, wird ausgebuht" oder "Aus fernen Ländern kam der Gast dank Menschenhändlerbanden. Reist er mit Handy und ohne Pass in den gelobten deutschen Landen. Verbittert ist der junge Mann. Finanziell geht‘s jetzt zwar besser. Weil er aber kein Fräulein haben kann, hilft er schnell nach mit einem Messer". Beim Vortragen des zweiten Gedichts wurde ihr für einen kurzen Moment sogar das Mikrofon abgedreht. Nach lauten Protesten aus dem Publikum durfte sie ihr Gedicht dann aber doch noch beenden.

Poetry Slam: Lautstärke des Publikums entscheidet über den Sieger

Wie die Zeitung "Die Rheinpfalz" berichtet, reagierte das rund 100 Personen umfassende Publikum sehr unterschiedlich auf die zwei Vorträge, machte aber ordentlich Lärm. Und da war auch schon das nächste Problem für die Veranstalter. Das Weiterkommen und die Entscheidung über den Sieger des Poetry Slams wurde über die Lautstärke des Publikums ermittelt. Ida-Marie, die die Bühne in einem weißen T-Shirt mit aufgedruckter Deutschlandfahne betrat, kam mit ihrem ersten rassistischen Gedicht nicht nur in die Finalrunde, sie hätte diese – gemessen an der Lautstärke – sogar gewinnen müssen. Hat sie aber nicht.

Die Veranstalter entschlossen sich, der 14-Jährigen nicht den ersten Platz zu geben. Die, gemessen an der Lautstärke des Publikums, Zweitplatzierte wurde als Siegerin des Poetry Slams präsentiert. Auf Anfrage des stern erklärte das Bündnis "Speyer ohne Rassismus – Speyer mit Courage", dass sie – "da die politischen Wellen so hoch geschlagen sind" – sich entschieden hätten, sich außerhalb eines offiziellen Statements auf ihrer Homepage nicht weiter zu dem Vorfall zu äußern.

Speyer: Veranstalter weisen Vorwurf der Zensur zurück

Auf der Homepage erklärt das Bündnis seine Entscheidung unter anderem so: "Gerade bei dem gewählten Thema 'Zivilcourage' lässt sich nicht abstreiten, dass jeder Mensch ein anderes Verständnis von und einen anderen Bezug zu diesem Begriff vorweist." Weiter weisen sie den Vorwurf der Zensur zurück und erklärten die Entscheidung, dem Mikrofon kurzzeitig den Saft abzudrehen damit, dass sie die "aufkommenden Unruhen" und die "aufgeheizte Stimmung" beruhigen wollten. Die Entscheidung, der 14-jährigen Ida-Marie den Sieg abzuerkennen, wird damit begründet, dass die vorgetragenen Texte das Thema des Abends "Zivilcourage" "ins Lächerliche" gezogen hätten. Deshalb habe man sich gezwungen gesehen, den Final-Text zu disqualifizieren.

Der Poetry Slam in Speyer hat in den letzten Tagen hohe Wellen geschlagen. In den sozialen Medien gibt es viel Zustimmung für die Entscheidung der Veranstalter. Gleichzeitig gibt es, gerade von Seiten der AfD, auch harsche Kritik. Ida-Maries Mutter Nicole Höchst postete mehrfach auf Facebook, wie stolz sie auf ihre Tochter sei und feierte ihre Tochter als "Heldin". Ein Jugendverband der AfD forderte auf Facebook mit einem Foto der 14-Jährigen "Sei wie Ida". 

Andere Poetry-Slammer riefen unterdessen zu einer Gegenaktion auf. Lars Ruppel lobte ein Preisgeld für das beste Gedicht, das auf seiner Facebookseite gepostet wird, aus. Bis zum 3. Oktober können dort Texte "eingereicht" werden. Er selbst ist die Jury. Das Preisgeld lag ursprünglich bei 200 Euro, doch weil viele andere Poetry Slammer wie beispielsweise Michel Abdollahi sich an dem Wettbewerb beteiligten, ist die Summe mittlerweile auf 1700 Euro angestiegen.

Quelle