Trump gibt sich im Schneesturm siegessicher. Doch Iowa war schon häufig für eine Überraschung gut

16.01.2024 09:55

Zweistellige Minusgrade in Iowa lassen die Kandidaten zittern, ob ihre Anhänger überhaupt zur Wahl gehen. Trump kanzelt Demonstranten ab, seine Verfolger ringen um den zweiten Platz. Unser Reporter ist vor Ort.

An mehreren Orten im Saal beginnen junge Aktivisten zu schreien. "Climate Crimal", rufen sie wieder und wieder, "Klimaverbrecher". Für die Fernsehkameras halten sie Banner mit ihrer Botschaft darauf in die Höhe. Donald Trump ist einen Moment lang verdutzt, sammelt sich aber schnell. "Geh nach Hause zu Mama, deine Mama wartet", sagt er zu einer Demonstrantin. Der Saal lacht und skandiert: Erst "Trump, Trump, Trump", dann "USA, USA, USA".

Der frühere US-Präsident ist am Sonntagmittag am Simpson College in der Kleinstadt Indianola in Iowa zu Gast. In dem US-Bundessstaat im Mittleren Westen wird am Montagabend die erste Vorwahl der republikanischen Partei stattfinden – und mit ihr beginnt ein langes Wahljahr, das mit der Präsidentschaftswahl am 5. November seinen Höhepunkt erreichen wird. 

Fürs Wahlkampffinale ist Trump nun hierher in die Kälte gekommen. Ein Schneesturm hatte seine Anreise verzögert. Doch weder Blizzard noch Demonstranten ändern etwas daran, dass Trump als haushoher Favorit in die Vorwahl geht. Kurz vor der Wahl veröffentlicht die Lokalzeitung "Des Moines Register" noch eine letzte Umfrage. 48 Prozent der befragten Republikaner geben an, dass sie für Trump als Präsidentschaftskandidaten stimmen wollen. Die frühere Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, kann auf 20 Prozent der Stimmen hoffen, Ron DeSantis auf 16 Prozent. Der Unternehmer Vivek Ramaswamy kommt auf 8 Prozent.

Was soll da also für Trump noch schiefgehen? Alle Kandidaten fürchten, die kalten Temperaturen könnten dafür sorgen, dass nur wenige Wahlberechtige den Weg in die Wahllokale auf sich nehmen. Mehr als 20 Grad Minus werden für Montagabend in der Landeshauptstadt Des Moines erwartet. Wer schafft es, seine Anhänger trotz der widrigen Umstände am besten zu motivieren? Trump probiert es – wie so oft – mit brachialer Rhetorik. "Ihr könnt nicht zu Hause sitzen. Wenn du krank bist wie ein Hund, sagst du: Liebling, ich muss es schaffen", skandiert der Ex-Präsident. "Und wenn du wählst und dann stirbst, ist es das wert."

Trump will unbedingt ein überzeugendes Ergebnis erreichen. Sein Kalkül: Holt er 50 Prozent der Stimmen oder noch mehr, demoralisiert er seine parteiinterne Konkurrenz. Je schneller er sich die republikanische Präsidentschaftskandidatur sichern kann, desto weniger Sorgen muss er sich machen, irgendjemand könnte ihm doch noch gefährlich werden, falls die anstehenden Gerichtsprozesse seine Eignung als Präsident in Frage zu stellen sollten.

Trump wird gefeiert wie ein Popstar

Dass Trump mit einer gewissen Gelassenheit in die Vorwahl geht, zeigt schon sein Gang auf die Bühne am Simpson College. Als er dort ankommt, geht er nicht sofort ans Mikro. Trump steht einfach da, winkt und sagt "Thank you". Minutenlang geht das so. Im Hintergrund läuft das Lied "God Bless the USA". "Ich bin stolz, Amerikaner zu sein", singt Lee Greenwood darin. "Wo ich zumindest weiß, dass ich frei bin." Hier ist Trump nicht nur frei, er ist ein Popstar – und er genießt das Bad in der Menge.

Ganz anders Nikki Haley, seine wichtigste Verfolgerin. Am Donnerstagmittag der vergangenen Woche kommt sie ins "Toast" in Ankeny, etwa 20 Minuten von Des Moines entfernt. Für gewöhnlich finden in dem Restaurant Hochzeiten und Familienfeiern statt. Doch für Haley geht es nicht ums Feiern, sondern ums Kämpfen. Rauf auf die Bühne und direkt los, bloß keine Zeit verlieren.

"Ihr setzt den Ton für das Land", ruft Haley in den vollen Saal. Danach folgt ein Ritt durch ihr Programm: Inflation, Staatsverschuldung und Steuern müssten endlich runter, die Einwanderung über Mexiko gestoppt werden. Wer illegal ins Land kommt, solle nicht nur geschnappt und festgesetzt, sondern sofort wieder abgeschoben werden. Für all das gibt es viel Applaus. Auch über die Ukraine spricht Haley. Sie will das Land weiterhin mit Waffensystemen und Munition unterstützen, damit Russland verliert und nicht auf die Idee kommt nach der Ukraine auch noch ein Nato-Land anzugreifen. "Ich will verhindern, dass wir einen Krieg gezogen werden", sagt die frühere UN-Botschafterin, die zwei Jahre unter Trump gedient hatte. Viele Republikaner sehen die Hilfe für die Ukraine inzwischen kritisch, Trump und DeSantis wollen sie einstellen. Doch in Ankeny erntet Haley mit ihrer Außenseiterposition Applaus.

Auf ihren einstigen Chef kommt sie ebenfalls zu sprechen. "Ich denke, dass Präsident Trump der richtige Präsident zur richtigen Zeit war", sagt Haley. Aber er ziehe das Chaos an. Haley will als eine Alternative zu Trump gesehen werden, ohne ihn zu verdammen. Sie zitiert Umfragen, laut denen Trump und Biden Kopf und Kopf liegen. Sie aber würde den Amtsinhaber mit bis zu 17 Prozentpunkten Vorsprung bei der Hauptwahl im Herbst besiegen können. Da brandet Jubel auf. Wählerinnen und Wähler möchten das Gefühl haben, dass sie mit ihrer Stimme jemanden unterstützen, der oder die gewinnen kann. Haley bedient diese Sehnsucht.

Ron DeSantis steht vor einem Scherbenhaufen

Ron DeSantis kann darauf kaum setzen. Einen Tag nach Haley kommt auch der Gouverneur von Florida nach Ankeny. Um kurz nach sieben Uhr lädt er zu einem Bürgergespräch ein. Der Blizzard wird zu diesem Zeitpunkt stärker. Auch DeSantis verspricht ein Ende der illegalen Einwanderung. Er will die Mauer zu Ende bauen, die Trump einst versprochen hatte. Und DeSantis beteuert, dass er gegen den "deep state" in Washington, D.C. vorgehen werde. Viele Republikaner sind überzeugt, dass eine Art Staat im Staate entstanden sei – eine mächtige, aber nicht durch Wahlen legitimierte Bürokratie, die Regeln erlässt, die das Leben vieler Amerikaner schwerer mache.

Das Programm von DeSantis gleicht dem von Trump in vielen Punkten. Als er ins Rennen um die Präsidentschaftskandidatur eingestiegen war, wollte er sich als der bessere Trump positionieren. In den Umfragen kam er ihm eine gewisse Zeit lang gefährlich nah, fiel dann aber wieder zurück. Dies hängt damit zusammen, dass Trump die Anklagen gegen sich genutzt hat, um die republikanische Partei hinter sich zu versammeln.

Es liegt aber auch an DeSantis selbst. Beim Bürgertreff in Ankeny möchte ein Junge von ihm wissen, was seine Lieblingserinnerung im Baseball sei. DeSantis, dem seit jeher nachgesagt wird, er komme zu steif rüber, hätte die Chance gehabt, mit dem Jungen zu interagieren. Danke für deine tolle Frage. Wie alt bist du? Spielst du selbst Baseball? Stattdessen referiert DeSantis über ein Spiel Ende der 1990er Jahre in New York. Und darüber, dass er einst selbst am College "Erfolge und Niederlagen" erlebt habe. Für DeSantis hätte die Frage des Jungen ein Home Run sein können, er ist aber, wie so oft in den vergangenen Monaten, gar nicht erst losgerannt.

Der Gouverneur wirkt wie einer, der sich freut, wenn er endlich zurück in sein warmes Florida reisen kann. Und sollte er in Iowa tatsächlich nur auf den dritten Platz kommen oder noch schlechter abschneiden, könnte er rasch das Ende seiner Kandidatur erklären.

Läuft also wirklich alles so, wie es die Demoskopen und Experten prophezeien? In Iowa kam es schon häufiger zu Überraschungen. Der Unternehmer Vivek Ramaswamy ist überzeugt, dass die Umfragen die politische Stimmung falsch wiedergeben. Der 38-jährige Sohn indischer Einwanderer war häufiger und mehr in Iowa unterwegs als die anderen Kandidaten zusammengerechnet. Er hat alle 99 Bezirke des Staates mindestens zwei Mal besucht. Trump, Haley und DeSantis haben das nicht ein einziges Mal geschafft.

Selbst dem Schneesturm will sich Ramaswamy nicht beugen. Auch am Freitag und Samstag, als der Blizzard auf dem Höhepunkt ist, fährt er von einer Town Hall zum nächsten. Am späten Freitagabend kommt er ins "Comfort Inn & Suites"-Hotel in West Des Moines. Die Highways haben sich da längst in Eispisten verwandelt.

Ramaswamy hofft auf eine Überraschung

Ramaswamy trägt sein Programm gerne in kurzen Glaubenssätzen vor. "Gott ist real", ist einer davon. Ein anderer lautet: "Der menschliche Fortschritt erfordert fossile Brennstoffe." Er will 75 Prozent aller Bundesbeamten feuern und Amerikas internationale Rolle auf ein Minimum reduzieren, um sich voll auf den Systemkampf mit China konzentrieren zu können.

Als der Unternehmer in West Des Moines ankommt, erwartet ihn ein überfüllter Saal. Mitten im Schneesturm sind etwa 100 Leute angereist, um Ramaswamy sprechen zu hören. Nach einigen Minuten wird er von Aktivisten unterbrochen. Sie werfen ihm vor, er habe Millionen mit Investments in fossile Energie verdient. Es sind dieselben Demonstranten wie bei Trump. Anders als der Ex-Präsident lässt er sie aber nicht sofort rausschmeißen. Er gibt einigen von ihnen das Mikrofon, lässt sie sprechen und verteidigt sich danach. Überzeugen kann er seine Kritiker an dem Abend nicht. Vielen anderen im Saal imponiert aber, dass es Ramaswamy probiert hat.

Der Selfmade-Millionär mit extremen Ansichten gilt zwar als chancenlos im weiteren Verlauf der Vorwahlen. Doch in Iowa ist er womöglich für eine Überraschung gut. In Donald Trumps Plan passt das nicht. 

 

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