Tschernobyl: Wissenschaftler empfangen Alarm-Signale aus Atomreaktor

02.08.2021 11:23

1986. Die Welt erlebt das erste Mal, was eine nukleare Katastrophe ist. Jetzt rumort es vor Ort wieder. Steht der Welt ein Tschernobyl reloaded bevor?

Radioaktive Wolke über Europa

Wer dachte, die radioaktive Kernschmelze in der heutigen Ukraine habe ja schon vor Jahrzehnten stattgefunden und sei damit abgehakt, hat ein paar grundsätzliche Gegebenheiten im Umgang mit Radioaktivität nicht verstanden.

Die nukleare Wolke hing anno 1986 über halb Europa, vom Verzehr von in Bayern erlegten Wildschweinen wird nach wie vor abgeraten und das unmittelbare Einzugsgebiet rund um den Katastrophen-Reaktor ist für die nächsten zigtausend Jahre komplett verseucht.

Der Sarkophag reicht nicht

Den explodierten Reaktorblock 4 des Atomkraftwerks hat man nach ersten rudimentären und gleichzeitig tödlichen Aufräumarbeiten mit einem riesigen Sarkophag aus Beton bedeckt. Das soll die Radioaktivität abschirmen.

Aber wie es schon im Namen steckt: Radioaktivität legt deswegen nicht einfach die Hände in den Schoß, sie arbeitet weiter. Und wenn man das nicht ganz genau beobachtet, gewährt man ihr ein Comeback, 35 jahre nach der Erstaufführung des makabren Stücks.

Corium: Mischung aus der Hölle

Wie die Frankfurter Rundschau berichtet, warnen Wissenschaftler bereits seit einiger Zeit davor, dass die Aktivitäten im nuklearen Wrack, vor allem im damals explodierten Reaktorblock 4 wieder zunehmen, die Neutronenanzahl sich in besagtem Bereich in den letzten vier Jahren fast verdoppelt habe.

Warum das so ist, kann die Wissenschaft noch nicht abschließend erklären, hat aber einen VerdachtCorium. Dieser Stoff entsteht im Höllenfeuer nuklearer Katastrophen und ist eine lavaartige Mischung aus Uran-Brennstäben, Beton, Sand und Wasser. Sie entsteht, wenn es zu einer Kernschmelze kommt.

Entwicklung wird genau beobachtet

Durch den Sarkophag hatte das Corium nun dreieinhalb Jahrzehnte Zeit, zu trocknen und sorgt jetzt es für erhöhte Spaltwerte. Es wird davon ausgegangen, dass sich mehrere Tonnen der gefährlichen Schlacke unter dem Sarkophag in den Eingeweiden des explodierten Reaktorblocks gebildet haben.

Zwar gäbe es keine unmittelbare Gefahr und auch keine Aussicht auf einen zweiten GAU, aber das bedeutet nicht, dass alles sicher ist: "Wir können die Möglichkeit eines Unfalls nicht ausschließen“, sagt Maxim Saveliev vom Institut für Sicherheitsprobleme bei Nuklearkraftwerken (ISPNPP).

Fachleute haben die Entwicklung im Blick und werten alle verfügbaren Messwerte aus. In Japan verfolgt man das sehr genau. In Fukushima dürfte man zu den ohnehin schon großen Problemen mit verseuchtem Wasser auch jene bedenkliche Entwicklung erwarten. So etwa in einem Vierteljahrhundert.

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