Wilderei: Eselhaut ist das neue Elfenbein

06.12.2018 15:10

In Afrika sind Esel existentiell für das Überleben ganzer Familien. Doch seit einigen Jahren werden die Tiere gewildert - für eine wirkungslose Medizin. GEO.de sprach mit Wiebke Plasse von der Welttierschutzgesellschaft über das Problem und Hilfe vor Ort

GEO.de: Wilderei ist in Afrika leider ein großes Thema, vor allem Nashörner, Elefanten und andere seltene Tierarten sind betroffen. In letzter Zeit häufen sich aber auch Berichte über gestohlene Esel. Was ist da los?

Wiebke Plasse: Wir beobachten seit einigen Jahren immer mehr Eseldiebstähle – vor allem in ländlichen Regionen Afrikas wie in Tansania und Südafrika, aber auch in Indien und anderen Ländern, in denen Esel als Arbeitstiere gehalten werden. Den Tätern geht es dabei ausschließlich um die Haut der Tiere. Wir sprechen darum auch davon, dass Eselhaut das neue Elfenbein ist.

Was macht die Haut von Eseln denn so besonders?

In der Traditionellen Chinesischen Medizin wird Eselhaut zu ejiaoverarbeitet. Das ist ein Pulver oder Gelee, dem besondere Heilkräfte zugeschrieben werden. Letztendlich ist es nichts anderes als Gelatine, ohne jede pharmazeutische Wirkung. Trotzdem ist die Nachfrage nach solchen Mitteln vor allem in den vergangenen drei Jahren in Asien immens gewachsen – die Eselpopulation in China hat sich bereits halbiert, und auch die Züchter können den Bedarf nicht mehr decken. So kam es zu ersten Diebstählen. Die Leute fallen nachts in die Dörfer ein und stehlen die Esel. Oftmals häuten sie sie noch an Ort und Stelle.

Und wo landen die Esel oder die Häute?

Über Zwischenhändler gelangt die Haut in den Export nach China. Möglich ist auch, dass sie in Schlachthäusern verarbeitet werden, die mit chinesischem Geld errichtet werden. China investiert weltweit viel Geld in die Entwicklungshilfe und treibt den Aufbau der Infrastruktur in Ländern wie Tansania und Kenia an. Seit einigen Jahren fördert das Land nun allerdings auch den Bau von Schlachthäusern für Esel. Vor allem in Kenia entsteht ein Schlachthaus nach dem anderen. Wir vermuten, dass mit der Zahl der Schlachthäuer in Kenia auch die Zahl der Eseldiebstähle steigt. 

Gibt es dazu irgendwelche Zahlen?

Geschätzt wird, dass die Nachfrage weltweit bei zehn Millionen Häuten im Jahr liegt – bei einem Bestand von vier Millionen Tieren. Allein in Simanjiro, einer Region in Tansania, in der vor allem Volksangehörige der Massai leben, war fast jede Familie betroffen. Ich war gerade erst vor Ort und habe mit Haltern gesprochen, denen oft alle Esel in nur einer Nacht gestohlen wurden. Doch nur diese Aussagen reichen natürlich nicht, verifizierte Zahlen gibt es aber bisher nicht. Um Belege zu bekommen, werden wir mit unserem Partner Daten erheben – zunächst in Kenia rund um die Schlachthäuser. So wollen wir die Fälle dokumentieren und belegen, dass dort auch gestohlene Esel verarbeitet werden.

Was bedeutet der Verlust für die Menschen?

Die Esel, sagte mir eine Dorfbewohnerin, seien eins mit dem Menschen. Ohne Esel läuft dort gar nichts, sie sind oft die einzige Hilfe, ja, das einzige Arbeitsmittel, das den Menschen zur Verfügung steht. Sie helfen bei der Ernte, transportieren das Wasser von den Wasserstellen, tragen die Kinder in die Schulen, Kranke in Krankenhäuser. Stellen Sie sich vor, bei uns würden über Nacht alle Fahrräder, Autos und öffentlichen Verkehrsmittel verschwinden und wir müssten 40 Kilometer zur nächsten Wasserstelle marschieren.

Was unternehmen die Länder dagegen?

Die Regierungen von einigen afrikanischen Ländern haben den Export von Eselhäuten verboten oder stark eingeschränkt, einige haben auch Investitionen aus China für Schlachthäuser untersagt.

Und was tut die Welttierschutzgesellschaft?

In der Region Simanjiro reagierten wir schon im Sommer 2017, als die ersten Fälle bekannt wurden, und bauten mit unseren Partnern vor Ort Gehege für die Tiere. Die Esel, die sonst nachts frei umherliefen, sind seitdem in den Herzen der Dörfer untergebracht – in schützender Nähe zum Menschen. Weil die Dörfer aber oft sehr weit auseinander liegen, kann man nicht davon ausgehen, dass sich die Informationen von selbst verbreiten. Deshalb nutzten wir gleichzeitig das Radio, um die Bevölkerung zu warnen, zu informieren und Schutzmaßnahmen für ihre Esel anzuleiten. Zusätzlich haben wir Treffen organisiert und sind selbst von Dorf zu Dorf gefahren.

Mit welchem Erfolg?

In Simanjiro wurde seitdem tatsächlich kein Esel mehr geklaut. Aber natürlich haben sich die Diebstähle nur verlagert. Darum weiten wir das Konzept auf andere Regionen aus - momentan sind wir besonders im Nordwesten Tansanias aktiv. Das Ziel ist, dass die Menschen selbst für den Schutz ihrer Esel sorgen können – und damit sich selber helfen.

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