Witwe kämpft als „hässlichste Frau der Welt“ für Familie.

03.05.2018 16:47

Über Schönheit lässt sich bekanntermaßen streiten: Was als schön oder hässlich gilt, kann je nach Gesellschaft und Kulturkreis sehr unterschiedlich sein. Nicht zuletzt ist Schönheit aber auch abhängig von der Zeit, in der man lebt. Mary Ann Bevan hatte das Pech, in einer Zeit zu leben, in der andersartige Menschen nichts zu lachen hatten. Wie die Engländerin zu dem Titel der „hässlichsten Frau der Welt“ kam, ist eine tragische, aber zugleich auch inspirierende Geschichte.

Mary Ann erblickt am 20. Dezember 1874 in Plaistow, London, als Kind einer Arbeiterfamilie das Licht der Welt. Einen Großteil ihrer Jugend arbeitet sie als Krankenschwester. Im Alter von 29 Jahren heiratet sie den Blumenhändler Thomas Bevan, der 11 Jahre später verstirbt und Mary mit vier Kindern zurücklässt. Ungefähr zu dieser Zeit machen sich bei Mary Ann Anzeichen einer seltenen Krankheit bemerkbar, die ihr Leben für immer verändern sollte.

Mary Ann leidet an Akromegalie - einer Wachstumsstörung, die sich durch eine Vergrößerung bestimmter Körperpartien, vor allem der Extremitäten, äußert. Vermutlich im Alter von 32 Jahren bemerkt Mary Ann die ersten Symptome dieser Krankheit: fortschreitende körperliche Fehlbildungen, Kopf- und Muskelschmerzen. So groß ihr Leid auch ist, Mary Ann darf sich nicht schonen, denn sie hat eine Familie zu ernähren.

Geldsorgen drängen die verzweifelte Witwe schließlich zu einem Schritt, bei dem sie ihre Würde dem Wohl der Familie opfert: Mary Ann bewirbt sich bei einem „Anti-Schönheitswettbewerb“, den sie tatsächlich auch gewinnt und der ihr den Titel „hässlichste Frau der Welt“ einbringt. Für das dringend benötigte Preisgeld schluckt Mary Ann ihren Stolz herunter. Von diesem Moment an lässt sich die tapfere Mutter als „Laune der Natur“ verspotten, um den Unterhalt für ihre Familie zu verdienen.

Nach dem gewonnenen Wettbewerb beginnt für Mary Ann eine Karriere als Zirkusattraktion. Als Mitglied einer Abnormitätenschau geht sie im Vereinigten Königreich auf Tournee, bis sie schließlich in die USA übersiedelt, wo sie von einem Vergnügungspark, der Coney Island Dreamland Side Show, als kuriose Attraktion unter Vertrag genommen wird. Dort arbeitet sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1933.

Mary Anns hartes Schicksal ist der Ausdruck einer intoleranten Zeit, doch leider ist man auch heutzutage in Sachen Akromegalie kein bisschen sensibler: So veröffentlichte der Grußkarten-Hersteller Hallmark vor einigen Jahren eine Postkarte mit einem Bild von Mary Ann und spöttischen Bemerkungen über die „hässlichste Frau der Welt“. Erst als ein deutscher Arzt die Karte als verletzenden und diskriminierenden Umgang mit einer ernsten Krankheit anprangert, zieht der Hersteller das Produkt zurück.

Man sieht: Auch in unserer vermeintlich aufgeklärten Zeit mangelt es in Schönheitsfragen noch an Sensibilität. Die aufopferungsvolle Mary Ann hat vorgemacht, was wahre Schönheit ausmacht: wenn man bereit ist, alles zu geben für die Menschen, die man liebt.

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