Seit dem Zerfall der Sowjetunion streiten Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach. Die beiden ehemaligen Sowjetrepubliken führten bereits zwei Kriege um die Enklave, nun eskalieren die Spannungen erneut.

Die Karte zeigt die umkämpfte Region Bergkarabach: Die Wurzeln des Konflikts liegen historisch lange zurück: Bereits 1917 lieferten sich Armenien und Aserbaidschan nach dem Ende der Zarenzeit einen Bürgerkrieg um Bergkarabach. 1921 schlug der Sowjetherrscher Josef Stalin die Region der sozialistischen Sowjetrepublik Aserbaidschan zu, ab 1923 genoss sie Autonomie.
Pro-armenische Rebellen brachten das mehrheitlich von Armeniern bewohnte Gebiet Ende der 80er Jahre mit Eriwans Unterstützung unter ihre Kontrolle. 1991 erklärte Bergkarabach nach einem Referendum seine Unabhängigkeit. Diese wird international jedoch bis heute nicht anerkannt.

Erster Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan
Im Zuge eines jahrelangen Kriegs wurden hunderttausende Menschen aus beiden Ländern vertrieben und schätzungsweise 30.000 Menschen getötet. Das Bild zeigt armenische Flüchtlinge, die mit einem Hubschrauber am 3. März 1992 Stepanakert, die Hauptstadt von Bergkarabach, verlassen. 1993 eroberte die armenische Armee von Baku kontrollierte Ortschaften und errichtete eine 8000 Quadratmeter große "Sicherheitszone" zwischen Berg-Karabach und der armenischen Grenze, die etwa 20 Prozent des aserbaidschanischen Staatsgebiets ausmachte.

Waffenstillstand und Bemühungen um eine Lösung des Konflikts
1994 wurde ein Waffenstillstand unterzeichnet. 2008 vereinbarten Armenien und Aserbaidschan nach russischer Vermittlung eine politische Lösung des Konflikts anzustreben. Das Bild zeigt die damaligen Präsidenten Ilham Aliyev (Aserbaidschan, links), Dmitri Medwedew (Russland, Mitte) und Serge Sargsian (Armenien, rechts). Aber auch in den folgenden Jahren kam es immer wieder zu Gefechten mit dutzenden Toten.
International wird Bergkarabach weiterhin als Teil Aserbaidschans angesehen. Das erdölreiche Aserbaidschan drohte wiederholt damit, Bergkarabach zurückzuerobern, sollten internationale Bemühungen zur Lösung des Konflikts zu keinem Ergebnis führen. Jahrelange Vermittlungsversuche scheiterten immer wieder.

Zweiter Krieg zwischen den beiden Kaukasusrepubliken
Im Herbst 2020 kam es zu einem neuen Krieg. Das Bild zeigt Menschen, die damals in Stepanakert Zuflucht in einem Luftschutzbunker suchten. Die Kämpfe endeten nach sechs Wochen und 6500 Toten mit einem von Russland vermittelten Waffenstillstandsabkommen, das Armenien zur Aufgabe großer Gebiete zwang. Russland entsandte 2000 Soldaten zur Überwachung des Waffenstillstands. Trotz ihrer Präsenz gingen die Auseinandersetzungen weiter, beide Seiten machten sich gegenseitig dafür verantwortlich.

Neue Militäroffensive Aserbaidschans
Schäden in einem Wohngebiet nach einem Militärschlag auf Stepanakert in Bergkarabach: Allen getrennten Vermittlungsbemühungen Russlands, der EU und der USA zum Trotz konnten sich Eriwan und Baku auf keinen gemeinsamen Friedensvertrag einigen. Nach dem Tod von vier Polizisten und zwei aserbaidschanischen Zivilisten bei einer Minenexplosion in Bergkarabach startete Aserbaidschan am 19. September einen Großangriff auf die Enklave. Baku sprach von "örtlich begrenzten Anti-Terror-Einsätzen" gegen armenische Separatisten. Es forderte die Auflösung der separatistischen Regierung in Bergkarabach und deren Truppen.
Die Konfliktregion Bergkarabach im Südkaukasus ist nach Angaben örtlicher Behörden am Mittwochmorgen vom aserbaidschanischen Militär erneut mit Raketen und Artillerie angegriffen worden. Dabei seien auch zivile Infrastrukturobjekte getroffen worden, berichtete die armenische Nachrichtenagentur Armenpress am Mittwoch. "Die Einheiten der Verteidigungskräfte leisten mit Abwehrhandlungen den Streitkräften Aserbaidschans erbitterten Widerstand und fügen dem Feind Verluste zu", teilte das Verteidigungsministerium der international nicht anerkannten Republik Bergkarabach (Arzach) mit.
Die Ex-Sowjetrepublik Aserbaidschan hatte am Dienstag einen groß angelegten Militäreinsatz zur Eroberung Bergkarabachs gestartet. Dabei sind nach Angaben des Menschenrechtsbeauftragten von Arzach, Gegam Stepanjan, bereits mehr als zwei Dutzend Menschen getötet und mehr als 100 verletzt worden. Unter den Opfern sind auch Zivilisten und Kinder. Der seit dem Tod seines Vaters 2007 autoritär regierende Präsident Aserbaidschans, Ilham Alijew, erklärte in einem Telefonat mit US-Außenminister Antony Blinken, dass der Militäreinsatz erst beendet werde, wenn die Armenier ihre Waffen niederlegten.
Aserbaidschan will in Bergkarabach Fakten schaffen
Bergkarabach liegt auf aserbaidschanischem Gebiet, ist aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt und hat sich in 1990er Jahren mit Unterstützung Eriwans in einem blutigen Bürgerkrieg von Baku gelöst. 2020 gelang es dem durch Öl- und Gaseinnahmen hochgerüsteten Aserbaidschan, große Teile der Region zurückzuerobern. Der damals nach dem Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien geschlossene Waffenstillstand ist trotz der dort zur Überwachung eingesetzten russischen Truppen brüchig. Zudem hat Baku monatelang den einzigen Zugang Bergkarabachs zum armenischen Kernland blockiert. Beobachter nennen die humanitäre Lage in der Region katastrophal.
Der groß angelegte Militäreinsatz Aserbaidschans in Bergkarabach ist von der internationalen Gemeinschaft mit Besorgnis aufgenommen worden. Die Regionalhauptstadt Stepanakert sowie weitere Städte standen nach Angaben der Vertretung Bergkarabachs in Armenien unter "intensivem Beschuss".
Mit seinem neuen Angriff zielt Aserbaidschans Staatschef Ilham Aliew auf die ethnische Säuberung von Bergkarabach. Die EU hat den Moment verpasst, den Konflikt friedlich zu lösen. Südkaukasus-Experte Stefan Meister sagt im Interview mit dem stern: "Aserbaidschan schafft jetzt Fakten". Das ganze Gespräch lesen Sie hier.
Und was denken Sie daran ?