Essattacken, die sich kaum kontrollieren lassen, sind das zentrale Problem der Betroffenen ... Ein gesunder Appetit ist noch kein Gesundheitsrisiko. Doch wenn Menschen regelmäßig riesige Mengen Essen verschlingen, ist dies ein Anzeichen für eine Essstörung, die ernst genommen werden muss. Was hinter den Essattacken steckt und wie es gelingen kann, sie in den Griff zu bekommen. Das englische Wort „binge“ bedeutet „etwas hinunterschlingen“ und beschreibt damit treffend das Problem, das diese Krankheit kennzeichnet: Die Betroffenen nehmen regelmäßig viel zu große Mengen an Essen zu sich, ohne dies kontrollieren oder abstellen zu können. Anders als bei Bulimie erbrechen sie sich nach dem Essen nicht. Auch andere Maßnahmen, die überschüssigen Kalorien wieder loszuwerden (zum Beispiel durch exzessiven Sport oder Abführmittel), bleiben aus. Die Folge von Binge Eating ist darum meist massives Übergewicht und dadurch bedingte gesundheitliche Probleme wie Diabetes oder Gelenkbeschwerden. Hunger ist es ist nicht, was Menschen dazu bringt, extrem viel auf einmal zu essen. Im Gegenteil: Wesentliches Kennzeichen des Binge Eatings ist, dass es völlig entkoppelt ist vom natürlichen Hungergefühl und nicht dazu dient, dem Körper Nahrung zuzuführen. Die Essattacken haben vielmehr eine psychische Ursache. Das exzessive Essen dient der Bewältigung von Gefühlen wie Einsamkeit, Stress, Trauer oder auch Langeweile. Indem sie große Mengen von Nahrung aufnehmen, beruhigen oder trösten sich die Betroffenen quasi selbst. Was nicht verhindert, dass sie – wenn die Essattacke vorüber ist – unter starken Schuld-, Ekel- oder Schamgefühlen leiden. Das führt dazu, dass sie sich mit ihrem Problem nur selten anderen anvertrauen oder sich Hilfe suchen. Binge Eating ist seit einigen Jahren als Essstörung beziehungsweise psychische Störung anerkannt. Sehr lange ist dieses Krankheitsbild jedoch noch nicht auf dem Radar von Psychologen und Psychiatern – anders als andere Essstörungen wie Magersucht (Anorexie) oder Bulimie. Essstörung: Ist die Psyche aus dem Gleichgewicht, drückt sich dies bei manchen Menschen durch ein gestörtes Essverhalten oder eine gestörte Kontrolle des Körpergewichtes aus. Die Ursache einer Essstörung ist also nie körperlicher, sondern immer psychischer Natur. Weshalb manche Menschen zu Binge Eatern werden, ist noch ungeklärt. Experten gehen davon aus, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale in Kombination mit genetischen Voraussetzungen und belastenden Lebensumständen dafür sorgen, dass das Essverhalten außer Kontrolle gerät. Vor allem, wer Schwierigkeiten hat, mit Gefühlen umzugehen, ist gefährdet. Auch Übergewicht oder Diäten können das Auftreten der Essanfälle begünstigen. Es gibt außerdem Hinweise darauf, dass Veränderungen im Stoffwechsel des Gehirns ein auslösender Faktor sind. > Stress, lass nach: Progressive Muskelentspannung Eine neurowissenschaftliche Studie hat vor Kurzem deutliche Hinweise darauf gegeben, dass Binge Eater neurologische Defizite haben. Bei den Studienteilnehmern waren bestimmte Gehirnregionen weniger aktiv. Diese Hirnareale spielen dann eine Rolle, wenn es darum geht, richtige Entscheidungen zu treffen: Wer unter Binge Eating leidet, trifft häufiger als andere Entscheidungen, die ihm selbst schaden. Das geht damit einher, dass er weniger gut in der Lage ist, nach einem Fehler sein Verhalten zu ändern. Dies, so vermuten die Forscher, könnte eine Erklärung dafür sein, weshalb die Betroffenen nicht aufhören können, exzessiv zu essen – obwohl ihnen die schädlichen Folgen der Essanfälle bewusst sind. Wer ab und an beim Essen über die Stränge schlägt, ist noch kein Binge Eater. Die Essstörung liegt dann vor, wenn … In den meisten Fällen tritt die Binge Eating Störung bei Erwachsenen zwischen 20 und 35 Jahren auf. Sie kann sich aber auch noch später im Leben einstellen. Ein Drittel der Betroffenen, so schätzen Experten, sind Männer. Damit ist Binge Eating die Essstörung mit dem höchsten Männeranteil. Man geht derzeit davon aus, dass etwa zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung von einer Binge Eating Störung betroffen ist und vier bis neun Prozent der Übergewichtigen in Deutschland Binge Eater sind. > Sucht: Wer ist anfällig? Wer bei sich Anzeichen feststellt, die auf eine Binge Eating Störung hinweisen, sollte sich seinem Arzt anvertrauen. Wie andere Essstörungen auch, kann diese Erkrankung behandelt werden. Weil dem Binge Eating psychische Probleme zugrunde liegen, sollte die Behandlung vor allem dort ansetzen. Durch eine Psychotherapie (zum Beispiel Verhaltenstherapie oder interpersonelle Therapie) können Betroffene zum Beispiel lernen, seelische Belastungen anders zu lindern als durch exzessives Essen. Die Behandlung ist dann erfolgreich, wenn sie ihr Essverhalten wieder kontrollieren können. > Zuckersucht: So kommen Sie davon los Die Therapie kann durch Antidepressiva erfolgreich unterstützt werden, denn wer unter einer Binge Eating Störung leidet, ist sehr anfällig für Depressionen, die das Krankheitsbild verschlimmern können. Auch der regelmäßige Besuch von Selbsthilfegruppen kann Betroffenen helfen, zu einem normalen, kontrollierten Essverhalten zurückzufinden. Vor allem erfahren sie durch den Austausch mit anderen, dass sie mit ihrem Problem nicht allein sind und sich ihrer Erkrankung nicht zu schämen brauchen. Als wenig erfolgsversprechend hat sich dagegen im Test mit Placebos die Behandlung mit Arzneimitteln erwiesen, die eine Gewichtsreduktion bewirken sollen.
Was verursacht Binge Eating?
Neurologische Grundlagen des Binge Eatings
Großer Appetit oder Binge Eating?
Wer ist gefährdet?
Lässt sich die Binge Eating Störung heilen?
Und was denken Sie daran ?