Mit eintägigen Praxisschließungen wollen Ärztinnen und Ärzte gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung protestieren. Gesundheitsminister Karl Lauterbach lenkt den Blick auf das vermeintlich hohe Einkommen der Medizinerinnen und Mediziner. Hat er recht?
Die Ärztinnen und Ärzte in Deutschland verdienen schon genug. So lässt sich auf eine Kurzformel bringen, wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Sonntag auf die angekündigten Praxisschließungen zum Protest gegen seine Politik an diesem Montag reagiert. "Am Brückentag schließen viele Praxen, wie die Apotheker wollen auch sie mehr Geld. Im Mittel (Median) verdienen sie aber nach Abzug aller Kosten um die 230.000 Euro pro Jahr. Soll der Beitragssatz für Arbeitnehmer steigen, damit das Honorar weiter steigt?", schrieb der SPD-Politiker bei X, vormals Twitter.
Was verdienen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland?
Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes für 2021 hat Lauterbach auf den ersten Blick recht. Es gibt die Einnahmen aus selbstständiger ärztlicher Tätigkeit im Jahr mit 448.000 Euro im Median an – pro Praxis, nicht pro Arzt oder Ärztin. Nach Abzug der Kosten verbleiben den Praxen demnach 230.000 Euro, wobei auch dort die Schere weit auseinandergeht. So verzeichneten Radiologie-, Nuklearmedizin- und Strahlentherapiepraxen einen Median-Reinertrag von 675.000 Euro, während er sich in der Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie auf 187.000 Euro beläuft.
Der Reinertrag wandert – anders als der Name vermuten lässt und Karl Lauternach suggeriert – nicht vollständig in die Taschen der Praxisinhaberinnen und -inhaber. Das Statistische Bundesamt weist darauf hin, dass Kosten für Praxisübernahmen (also in der Regel Kredite) sowie Aufwendungen für die Alters-, Invaliditäts-, Hinterbliebenen- und Krankenversicherung der Praxisinhaberinnen und -inhaber beim Reinertrag noch nicht berücksichtigt sind. Das tatsächliche Einkommen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte liegt also mitunter deutlich unter 230.000 Euro im Jahr. Und der Belastung durch Kredite steht der Wert der Praxis gegenüber.
Nach Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung verbleiben niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten durchschnittlich 25 Prozent des Honorarumsatzes, der Rest geht für Praxiskosten, Steuern, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung drauf. Bei jährlichen Medianeinnahmen von 448.000 Euro wäre dies ein Nettoeinkommen von 112.000 Euro, also rund 9300 Euro im Monat. Der Verband der Praxisärztinnen und -ärzte, der Virchowbund, gibt das Nettoeinkommen mit 85.555 Euro (ca. 7100 Euro pro Monat) an, lässt aber offen, ob es sich um das Durchschnitts- oder Medianeinkommen handelt.
Über die gesamte Ärztinnen- und Ärzteschaft hinweg, also Angestellte eingeschlossen, gibt die Bundesagentur für Arbeit ein Median-Bruttoeinkommen von 6620 Euro an (knapp 80.000 Euro im Jahr).
Zur Erläuterung: Die Medianeinnahmen sind die Einnahmen, bei denen es genauso viele Arztpraxen mit höheren wie mit niedrigeren Einkünften gibt. Würde man alle Praxen nach der Höhe ihrer Einnahmen sortieren und zwei gleich große Gruppen bilden, würde die Praxis, die genau in der Mitte dieser Verteilung steht, die Medianeinnahmen erzielen. Sie sind nicht zu verwechseln mit den Durchschnittseinnahmen, bei denen alle Einnahmen der Arztpraxen addiert und dann durch die Zahl der Praxen geteilt werden. Ausreißer nach oben oder unten fallen beim Medianwert weniger ins Gewicht als beim Durchschnittswert. Das Median-Bruttoeinkommen in ganz Deutschland lag 2021 bei rund 43.000 Euro.
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