Beim Spaziergang einem Wolf zu begegnen, ist sehr unwahrscheinlich. Passieren kann es trotzdem, wie kürzlich einer Frau in Niedersachsen. Eine Expertin erklärt, wie man sich bei einer Wolfsbegegnung richtig verhält
Bei einem Spaziergang mit ihrem Hund begegnet einer Frau in der Nähe des niedersächsischen Wietzendorf ein Wolf. Sie filmt die Situation. Trotz lauter Schreie der Frau sucht das Tier nicht sofort das Weite. Die Wolfs-Expertin Marie Neuwald vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) gibt Tipps, wie man sich in einer solchen Situation richtig verhält.
Genau wie andere Wildtiere würden auch Wölfe ein Aufeinandertreffen mit Menschen meist vermeiden. „Die Wahrscheinlichkeit, in Deutschland einen Wolf beim Spaziergang zu treffen, ist sehr gering. Vielmehr sehen Wölfe eher Menschen und entfernen sich“, sagt Neuwald.
128 Wolfsrudel leben in Deutschland
Insgesamt leben 128 Rudel in Deutschland – mit durchschnittlich sechs bis acht Tieren. Wölfe beanspruchen viel Platz für sich: Ein Rudel lebt im Schnitt auf 200 bis 250 Quadratkilometern. Das sei vergleichbar mit der Fläche von Frankfurt am Main oder dem Nationalpark Bayerischer Wald. „In den nächsten Jahren wird die Zahl der Wölfe in Deutschland wegen der guten Lebensbedingungen sicherlich steigen, eine Wolfsbegegnung wird trotzdem nicht wahrscheinlicher. Wölfe sind sehr territoriale Tiere, die ihr Gebiet gegen andere Rudel verteidigen. Somit wird es nicht mehr Wölfe auf kleiner Fläche geben.“
Auszuschließen seien solche Begegnungen wie kürzlich in Niedersachen aber nicht. Als die Frau mit ihrem Hund im Feld unterwegs ist, begegnet ihr ein Wolf. Die Frau schreit den Wolf lautstark an. Trotz ihrer Rufe lässt sich das Tier nicht sofort verscheuchen. „Es handelt sich wahrscheinlich um einen Jungwolf, der die Situation mit vorsichtiger Neugierde betrachtet. Die Körpersprache des Wolfs in dem Video verrät, dass er zu keiner Zeit aggressiv war“, sagt Wolfs-Expertin Marie Neuwald.
Das richtige Verhalten bei einer Wolfsbegegnung
Sie finde es aber verwerflich, dass die Frau in sozialen Medien "zerrissen" wird, weil man ihr im Video anmerke, dass Angst in ihrer Stimme liegt. Wahrscheinlich sei es ihre erste Wolfsbegegnung gewesen. Außerdem habe sich die Frau insgesamt sehr gut verhalten. Wer bei einem Spaziergang einem Wolf begegnet, sollte ruhig bleiben, nicht wegrennen, nicht auf den Wolf zugehen und ihm die Möglichkeit zum Rückzug geben. „Es kann auch helfen zu klatschen, laut zu rufen, sich groß zu machen und sich langsam zurückzuziehen“, rät Neuwald. Im Idealfall seien die Rufe nur laut und nicht panisch. Hundebesitzer sollten es der Frau im Video gleichtun: den Hund anleinen und nah bei sich halten.
Eine Begegnung zwischen Mensch und Wolf verlaufe in der Regel unaufgeregt. Wer die Möglichkeit hat, könne den Wolf fotografieren oder in einem Video aufnehmen. Wichtig sei es, die Begegnung an Monitoring-Stellen zu melden. Das helfe den zuständigen Stellen, um die Wölfe in Deutschland zu beobachten. „Im Fall von der Frau und dem Video sind die zuständigen Stellen in Niedersachen informiert. Die Beobachtung dieses Wolfs halte ich für wichtig, weil die Begegnung relativ lang dauerte.“
Seien Wölfe zu stark an Menschen interessiert, könnten Fachleute sie vergrämen. Bedeutet: Das Interesse des Wolfs am Menschen werde zum Beispiel durch den Beschuss mit ungefährlichen Gummigeschossen abgebaut.
Gefahr für Wolfsangriffe ist sehr gring
Gefährlich sei der Wolf für den Menschen in der Regel nicht. In einer Untersuchung des Norwegischen Instituts für Naturforschung (NINA) untersuchen Forscher, wie groß die Gefahr eines Wolfsangriffs ist. Die sogenannte NINA-Studie hat Angriffe von Wölfen auf Menschen zwischen 2002 bis 2020 analysiert. Das Ergebnis: Ein Angriff durch einen Wolf, wie auch durch andere Wild-, Nutz- oder Haustiere, kann niemals völlig ausgeschlossen werden. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist jedoch äußerst gering.
In Europa und Nordamerika (ohne Russland) gab es in diesem Zeitraum 14 Angriffe, zwei davon in Nordamerika verliefen tödlich. „In den allermeisten Fällen haben die Wölfe vorher schon ein auffälliges Verhalten gezeigt. Sie sind beispielsweise durch Anfüttern an den Menschen gewöhnt worden und haben ein übersteigertes Interesse an Menschen entwickelt“, erklärt Neuwald. Wolfsangriffe weltweit gehen seit den 1950er Jahren häufig auch auf Tollwut zurück. In Deutschland gibt es seit 2008 keine Tollwut mehr und in Europa sowie Nordamerika sei sie fast ausgerottet, sagt die Expertin.
Und was denken Sie daran ?