Die Corona-Pandemie hat offenbart, wie weit Deutschland bei der Digitalisierung hinterherhinkt. Immerhin: Die Kanzlerin hat jetzt Versäumnisse eingeräumt. Dabei hätte sie 16 Jahre lang Zeit gehabt, dem Thema Priorität zu geben. Hat sie aber nicht!
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat kurz vor ihrem Abgang bemerkt, dass Deutschland bei der Digitalisierung hinterherhinkt. Es habe sich gezeigt, "dass wir noch nicht auf dem Niveau sind, auf dem wir sein könnten", sagte sie am Montag auf einer Veranstaltung in der CDU-Parteizentrale in Berlin. Na immerhin! Besser spät als nie.
Nur einen Tag später allerdings, als sie im Bundestag sprach, pries Merkel die Fortschritte in der Digitalisierung über den Klee: Infrastruktur, Breitband- und LTE-Anschlüsse seien ausgebaut worden, Verwaltungsleistungen würden inzwischen auch digital angeboten, viel Geld sei investiert worden.
Schöne Worte, wenig dahinter. Ein Blick auf die 16 Kanzlerinnenjahre zeigt: Merkel selbst hat dem Thema nie sonderlich viel Priorität beigemessen. War ja auch "Neuland" für sie. So wie ihr Vorgänger Gerhard Schröder die Bereiche Frauen, Familie und Gesundheit einst als "Gedöns" abgetan hatte, war Merkel an dem Digital-Thema zwar interessiert – aber zu einem energischen Impuls hat es in ihren vier Amtszeiten nie gereicht.
Grundlagen geschaffen, aber mehr auch nicht
Ja, Grundlagen mögen geschaffen worden sein. Aber das ist letztlich nur ein Armutszeugnis für die Industrienation Deutschland, das digital eher ein Entwicklungsland ist. Warum hat man in den letzten 16 Jahren nicht weiter auf diesen Grundlagen aufgebaut? Flüchtlinge, Finanzen, Corona – im Krisenmodus hat Angela Merkel bewiesen, dass sie diesem Land den Kurs vorgeben kann. In Sachen Digitalisierung hat sie es versäumt.
Mehr noch: Ihre zögerliche Einstellung hat sich in der Pandemie gerächt. Eine Vielzahl der Schulen war digital nicht auf Homeschooling vorbereitet. Gesundheitsämter, die noch Faxgeräte zur Datenübermittlung nutzen, sind ein Treppenwitz. Merkel hätte die Mängel im Bereich digitale Infrastruktur längst als "Krise" einstufen und handeln müssen. Jetzt überlässt sie es ihrem Nachfolger oder ihrer Nachfolgerin. Nach ihr die Sintflut.
Andere Länder zeigen, was geht
Man braucht nur in andere Länder in Europa zu schauen, um zu sehen, wo wir schon hätten sein können, wenn man das Thema früher angepackt hätte:
Bargeldlos Bezahlen, wie etwa in Schweden.
E-Government, digitale Post und digitale Behörden, so wie in Dänemark. Dort kann man online seinen Umzug melden oder die Kinder in Kindergarten und Schule anmelden.
Ein digitalisiertes Gesundheitssystem wie in Finnland, wo es elektronische Patientenakten und ein "virtuelles Gesundheitsdorf" gibt.
In Estland kann man beim E-Voting seine Stimme bei Wahlen digital abgeben.
Und Norwegen ist Spitzenreiter bei der Digitalisierung der Bildung mit einer hohen digitalen Ausstattung.
Neue Regierung muss von der Digitalisierungs-Bremse runter
Und Deutschland? Hier ist das höchste der Gefühle, wenn man seinen Termin beim Einwohnermeldeamt online vereinbaren kann. Wow. Ganz zu schweigen vom öffentlichen Verkehr, wo längst nicht jeder Zug oder jeder Bus mit schnellem W-Lan ausgestattet ist.
Der neue Kanzler oder die neue Kanzlerin darf keine Schnecke, sondern muss ein Drängler bei der Digitalisierung sein! Schulen, Unis, das Gesundheitswesen müssen digitalisiert, Verwaltung, Behörden und Ämter ins Internet verlagert werden. Und überall muss jeder Bürger, jede Bürgerin, jede Firma auf schnelles und zuverlässiges Internet zugreifen können, egal ob zu Hause oder im Bus zur Arbeit. Nur so können wir Länder wie Dänemark, Estland oder Finnland einholen und mit ihnen schritthalten.
Und was denken Sie daran ?