Sie fand den Vogel als blutendes Küken, päppelte ihn auf und lebte mit ihm zusammen. Jetzt schwärzten Tierschützer sie an
Renate Schoemann bleibt nur die grüne Gummiente von Krähe „Charly“
Bad Segeberg (Schleswig-Holstein) – Dies ist eine Geschichte, wie sie wohl nur in Deutschland vorkommen kann...
Es war der 29. Juni 2003, ein Sonntag, als Renate Schoemann (81) ein blutendes Krähen-Küken am Straßenrand entdeckte. Sie nahm es mit in ihr Reihenhaus am Stadtrand von Bad Segeberg und pflegte es gesund. Drei Monate später wollte sie „Charly“ in die Freiheit entlassen: „Da hat er gezittert wie Espenlaub.“
Also blieb er bei ihr. 17 Jahre lang. Bis zum 11. August diesen Jahres.
Da standen plötzlich vier Mitarbeiter des Kreisveterinäramts vor der Haustür der 81-Jährigen Rentnerin. Eine Tierärztin fragte: „Haben Sie eine Krähe oder einen Raben zuhause?“
Jemand hatte Frau Schoemann wegen nicht-artgerechter Tierhaltung angezeigt. Wer es war, weiß sie bis heute nicht.
Neues Heim: Krähe „Charly“ in einer Voliere der Wildtierstation Offenseth
Die Gesetzeslage ist klar. Krähen sind Wildvögel. Wer sie als Haustier halten möchte, braucht einen Genehmigung und einen Sachkundenachweis.
Beides konnte die Rentnerin nicht vorweisen. Also griff das Amt knallhart durch und nahm die Krähe mit.
Seitdem sitzt Frau Schoemann allein in ihrem Haus und versteht die Welt nicht mehr. „Ich bin ganz krank geworden“, erzählt sie. „Ich esse und schlafe nicht mehr richtig. Ich habe furchtbar abgenommen.“
17 Jahre lang lebte sie mit der Krähe. Länger als ein Hundeleben. Länger als manche Kinder, bei ihren Eltern wohnen. „Er ist ein Teil von mir geworden.“
Oft saß er auf der Fensterbank und sonnte sich. Fliegen konnte er nicht, aber von Möbel zu Möbel flattern. Seine Flügel waren durch den Unfall von damals dauerhaft geschädigt, das hatte der Tierarzt festgestellt. Frau Schoemann ist sicher: „In freier Wildbahn wäre er sofort totgemacht worden.“
Aber bei ihr hatte er es offenbar gut. Ihre Eltern hatten immer Wellensittiche. Sie wusste, was Vögel mögen.
Jeden Morgen fütterte sie ihm ein Eigelb: „Das mochte er immer gereicht haben, wie ein Gourmet.“ Er schlief im Badezimmer, planschte in der Dusche, knabberte die Türen und die Tapete an.
Jetzt macht sie sich große Sorgen um ihn. Die Leute vom Veterinäramt brachten ihn in die Wildtierstation Offenseth bei Elmshorn. Schoemann: „Ich hab ihm immer das Köpfchen gekrault. Das macht jetzt keiner mehr.”
Behörden-Sprecher Robert Tschuschke vom Kreis Segeberg verteidigt das Veterinäramt: Der Vogel habe zu lange Krallen und einen ungepflegten Schnabel gehabt.
Seit seinem Unfall kann „Charly” nicht mehr fliegen, daher wird er nicht ausgewildert. Er lebt mit zwei Artgenossen in einer Voliere der Wildtierstation. Tschuschke: „Dem Tier geht es jetzt gut.”
Alles, was Frau Schoemann nun von „Charly“ bleibt, ist eine grüne Gummiente. Seine anderen Spielsachen hat sie in den Müll geworfen. Sie konnte den Anblick nicht mehr ertragen.
Und was denken Sie daran ?